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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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gestellt. Fünfzig Fahrzeuge, heißt es. Wie viel Mann, weiß ich nicht. Ich gehe nicht fotografieren. Mein Bedarf an verbrannten Menschen ist gedeckt. Zu viele Leichen in diesen drei Tagen.
    ***
    Die Armee wartet auf den nächsten Befehl. Ich gehe zu Jamadajew: «Sulim, ein kleines Interview, wenn du erlaubst.»
    «Mach los.»
    Ich schalte das Diktiergerät ein: «Sulim, was meinen Sie, hat Russland seine Truppen zu Recht einmarschieren lassen?»
    «Russland ist zu Recht einmarschiert, ganz klar. Mehr noch – man hätte keine vierundzwanzig Stunden abwarten sollen, nachdem die Bombardierung der Stadt begonnen hatte. In der Zeit sind Zivilisten gestorben. Sind Friedenssoldaten gestorben. Aber die Führung hat richtig gehandelt, ganz klar. Sie sehen selbst, seit gestern befinden wir uns in Georgien. Zchinwali wird nicht mehr bombardiert. Jetzt haben wir den Feuereinstellungsbefehl erhalten, warten auf weitere Anweisungen.»
    «Wofür kämpft das Bataillon ‹Wostok› hier?»
    «Wir sind als Friedenstruppen hier. Das ‹Wostok› beteiligt sich schon seit anderthalb Jahren an Friedensmissionen. Vorher waren wir im Libanon. Ich selbst war am Achten noch im Lazarett, hätte mich zwei Wochen erholen sollen. Aber jetzt bin ich bei meinen Leuten, das gehört sich so, ganz klar. Probleme wird es keine geben. Wenn wir Befehl bekommen, Tiflis einzunehmen, tun wir das.»
    «War es nötig, georgisches Territorium zu betreten, was meinen Sie?»
    «Ja, es war nötig. Unserem Präsidenten wird es so leichter fallen, mit ihnen zu verhandeln. Sie bombardieren doch sonst selbst … Man muss sie zur Feuereinstellung zwingen, ganz klar. Wir zwingen sie dazu, den Krieg zu beenden. Wir erfüllen den Befehl des Verteidigungsministeriums und des Oberkommandierenden.»
    Am nächsten Tag wird Sulim Jamadajew erfahren, dass er aus dem aktiven Dienst entlassen sei.
    Wenn Jamadajew ein Verbrecher ist, belastet von «Samson» und den Vorfällen in Borodzinowskaja, wie hatte man ihn dann mit der aktiven Armee in den Kampf für Russland schicken können? Und wenn er für Russland kämpft, wie konnte er russlandweit zur Fahndung ausgeschrieben sein?
    Was sucht ihr noch, hier steht er, vor Gori. Kommt und holt ihn euch. Und macht endlich eine eindeutige Aussage. Bislang sieht es wieder so aus, als würde Russland seine eigenen Leute im Stich lassen und sich aus dem Staub machen.
    ***
    Unbestreitbares Gefühl, dass der Krieg zu Ende ist. Siegesstimmung, daran zweifelt niemand mehr. Ob Saakaschwili zurücktritt oder nicht, ist nicht mehr wichtig. Zur militärischen Hauptbasis Georgiens sind es zehn Minuten Fußmarsch, falls notwendig, wird sie problemlos eingenommen werden. Die georgischen Einheiten weichen kampflos zurück. Die russische Armee schlägt sich um Welten besser. Die Männer sind ruhig, bereit und fähig zu kämpfen. Die Georgier haben eine gute technische Ausrüstung, aber keine Kampfmoral. Sobald es zur direkten Feindberührung kommt, weichen sie zurück. Offenbar weil sie den Sinn dieses Krieges selbst nicht ganz verstehen. Sie sind nicht bereit, für das eine Georgien zu sterben. Vielleicht wollen sie einfach nicht kämpfen. Wäre die Kolonne nicht an Zemo-Nikosi vorbeigekommen, hätte man sie nicht angerührt, das ist klar. Aber einfach so wollten sie uns auch nicht in ihr Land lassen.
    Überhaupt, wenn in Zemo-Nikosi Tschetschenen gestanden hätten – auch ohne Panzer, nur mit Maschinenpistolen –, hätten wir nicht bis zum Morgen überlebt. Neun Gefallene für so einen Irrtum, da kann man von Glück reden, wie zynisch das auch klingen mag.
    In jedem Fall liegt Russlands Sieg auf der Hand. Genauso offensichtlich ist, dass Russland eine neue Taktik gewählt hat – die Taktik der direkten, harten Gewalt. Auf die Meinung der anderen wird gepfiffen. So wie in Afghanistan. Fallen Schüsse aus einem Dorf, so wird es von Luftwaffe und Artillerie beharkt. Mit dieser Politik geht uns Georgien immer mehr verloren. So wie Georgien Ossetien und Abchasien immer mehr verliert.
    Mit jedem neuen Präsidenten beginnt bei uns ein neuer kleiner, siegreicher Krieg. Vielleicht sollte man die Wahlen einfach ganz abschaffen?
    ***
    Meine Füße sind in ekelerregendem Zustand. Bis zur Unförmigkeit geschwollen, aus den Blasen tritt Eiter mit Blut, wie aus der Tube. Ein kleiner Zeh ist schwarz geworden, der Nagel fast abgefallen. Der rechte natürlich. Den Nagel abreißen? Ich brauche ihn ohnehin nicht.
    Und das nach zwei Tagen. Vom Durst vielleicht.

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