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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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geht es euch? Wie ist das Wetter bei euch? Bei mir ist alles gut, es ist nur unerträglich heiß. In einer Woche sollen wir nach Tschetschenien fliegen, aber ihr könnt mir an die Einheit schreiben. Die Briefe werden uns weitergeschickt. Na ja, sonst ist alles in Ordnung. Ich habe euch vor ein paar Tagen drei Briefe auf einmal geschickt, mit zwölf Fotos. Schreibt mir, ob ihr sie bekommen habt oder nicht. Davor habe ich einen Film geschickt. Gut, macht euch keine Sorgen, ich werde euch schreiben. Wenn ihr diesen Brief bekommt, werde ich schon in Tschetschenien sein, Abflug 24 . Juli. Auf Wiedersehen. Euer Enkel.»
    Zwei Wochen später war er tot.
    ***
    Aus der Ehrungsurkunde für den Schützen A. W. Lajs:
    «Am 7 . 8 . 2001 durchsuchte die Aufklärergruppe Lager, Bunker und Waffenverstecke. Sie führte Aufklärungs- und Suchmaßnahmen im Bereich der Siedlung Chatuni durch. Auf dem Vormarsch entdeckte der Spähtrupp eine fünfzehn Mann starke Abteilung des Gegners, die sich auf die Straße Kirow-Jurt-Agischty zubewegte, um einen Hinterhalt für die Versorgungskolonne vorzubereiten. Auf Befehl des Gruppenkommandeurs Hauptmann W. W. Schabalin stellten sich die Aufklärer einem Gefecht und eröffneten aus der Flanke ein vernichtendes Feuer auf den Gegner.»
     
    Hauptmann Wladimir Schabalin begegne ich im Raucherzimmer des 2 . Regiments.
    «Erzähl mir von dem Kampf», bitte ich ihn.
    Wladimir verzieht das Gesicht: «Ich denke nicht gern daran zurück.»
    «Na, trotzdem …»
    «Damals, am siebtenAugust 2001 , bekam die Gruppe die Aufgabe, einen Hinterhalt an einem der Pfade der Rebellen vorzubereiten. Zu jener Zeit verstärkten die Banden ihre Aktivitäten erheblich, und unsere Führung befürchtete, die Rebellen könnten versuchen, die Kolonne im Hinterland zu überfallen, die Lebensmittel und Wasser in die Einheit bringen sollte. Außerdem gab es schon Hinweise auf eine Falle, die dort angeblich vorbereitet wurde. Wir beschlossen, diese Kolonne als Köder zu benutzen und die ‹Tschechen› dadurch aus den Bergen zu locken», sagt Schabalin. «Anders hätte man sie nicht dort rausgekriegt. Selmentauzen, das ist so ein Dorf, in dem die Russen sich niemals etablieren werden. Nicht weit entfernt von der georgischen Grenze, ringsum von Bergkämmen umgeben. Dort sind Wege, auf denen man Verwundete evakuieren und Munition unbemerkt anliefern kann.
    Wir zogen zur Morgendämmerung los, lange bevor die Kolonne sich in Bewegung gesetzt hatte. Laut Plan sollte die Truppe die Rebellen überholen und einen Gegenhinterhalt einrichten. Der Karte nach zu urteilen, war das nur an einer einzigen Stelle möglich.
    In der ersten Tageshälfte lief noch alles wie geplant. Die Kolonne zog zur vereinbarten Zeit los, der Trupp hatte zu dem Zeitpunkt bereits die Zielregion erreicht. Die Rebellen bissen an und begannen, ihren Hinterhalt einzurichten. Man konnte davon ausgehen, dass die Kolonne, die ‹Tschechen› und die Landetruppen sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort treffen würden. Aber …
    Mit dem Krieg ist das so eine Sache, er läuft nicht immer so, wie man will. Auf jede Aktion folgen Tausende Gegenaktionen – vom unerwartet fallenden Schnee bis zu den Finten des Feindes. Man kann monatelang Befestigungen graben und Minen legen, kann die gegnerischen Positionen beschießen und beim Plänemachen Löcher in die Karten scheuern – es hilft alles nichts. Dann wieder gerätst du im unpassendsten Augenblick in die unpassendste Situation, lässt zum Beispiel gerade im Gebüsch die Hose runter, und schon schießt irgendein bärtiger Dreckskerl auf dich.»
    Schabalins Gruppe bewegte sich als erster Spähtrupp vor der Abteilung. Sie kam zwanzig Minuten vor den Hauptkräften am Ausgangspunkt vorbei, und die «Tschechen» bemerkten sie einfach nicht, ließen sie ungehindert vorbei. Die Soldaten bemerkten die «Tschechen» aber ebenfalls nicht und zogen weiter geradeaus.
    Sie stießen dann von der Flanke her auf die Rebellen. Alles ging sehr schnell. Der Schütze Kuzin, der als Erster im Spähtrupp ging, hob den angewinkelten Unterarm – «Tschechen!», und ließ ihn mehrere Male wieder sinken – «viele von ihnen!». Schon begann der Schusswechsel.
    «Wir trafen fast Auge in Auge auf sie», erinnert sich Schabalin. «Sie hatten uns keinesfalls so früh erwartet und auch nicht aus dieser Richtung; sie bereiteten sich gerade auf den Empfang jenes Trupps vor, der erst zwanzig Minuten später kommen sollte. Ihr Kommandeur war

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