Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)
dabei, den Kämpfern ihre Positionen zuzuweisen. Kuzin knallte ihn mit dem ersten Schuss aus seinem ‹Schalldämpfer› ab und verwundete einen weiteren. Wir wiederum hatten diese Begegnung zwar erwartet, befanden uns aber in einer äußerst ungünstigen Position – zwischen zwei Anhöhen, wie auf dem Servierteller. Der Pfad macht dort eine rechtwinklige Biegung, und wir kamen nichtsahnend aus dieser Kurve … Dort war nicht mal Gras, um in Deckung zu gehen.»
Dem tschetschenischen Feldkommandeur war es, bevor er starb, noch gelungen, seine Leute sinnvoll zu verteilen. Die Rebellen waren in der vorteilhafteren Position. Mit drei Geschützen aus der Höhe zwangen sie die Gruppe zu Boden, während die restlichen von einer Bergkuppe rechter Hand die Aufklärer beschossen. Die Landetruppen waren also selbst in eine Falle geraten.
Das Feuer war so stark, dass man nicht einmal den Kopf heben konnte. Eine weitere Gruppe «Tschechen» von geringerer Stärke, die Positionen am Steilhang eingenommen hatten, schnitt den Rückzug ab. Der Rückzug verbat sich ohnehin – zwei Mitglieder des Spähtrupps, Sagdejew und Kuzin, waren in der vorderen Linie geblieben.
Bei den ersten Schüssen wurde Sagdejew schwer verwundet. Er hatte einen Kieferdurchschuss, die rechte Hand war verletzt, der Oberschenkel stark zertrümmert. Er konnte das Feuer nicht mehr erwidern.
«Er lag mitten auf dem Pfad, auf dem Rücken, und jeder Affe hielt es für seine Pflicht, auf ihn draufzuhalten. Wir zwangen sie mit unserem Feuer in Deckung, so gut es ging, aber wir konnten ja kaum den Kopf heben wegen der drei Mann, die auf der Bergkuppe saßen. Und trotzdem konnten wir verhindern, dass sie gezielt schießen konnten», sagt Schabalin.
Später, nach dem Kampf, zählten sie elf Löcher in Sagdejews Uniform. Eine Kugel hatte die an seinem Riemen hängende Granate F 1 getroffen, hatte deren hartes Gehäuse aber nicht durchschlagen können.
Die Gruppe wurde vom gegnerischen Feuer flach zu Boden gezwungen. Lange konnte das nicht mehr so gehen. Über Funk forderte Schabalin die Artillerie an. Die ersten Geschosse flogen zu weit. Schabalin korrigierte das Feuer und drängte auf diese Weise, ohne das zu wollen, die «Tschechen» an sich heran. Die Rebellen wollten aus dem Artilleriefeuer heraus und kamen so der Gruppe immer näher. Die Aufklärer bereiteten sich auf den Nahkampf vor.
«Sie waren schon verdammt nah. Die ‹Tschechen› hörten sogar meine Gespräche über Funk, also auch die Antworten von der anderen Seite. Man sagte mir: ‹Halt aus, wir sind schon unterwegs!›, und die brüllten zur Antwort: ‹Los, los, komm schon, wir zeigen dir, was Nahkampf ist!› Zwischen uns lagen vielleicht fünfzehn Meter, nicht mehr.»
Auf diesen Metern befanden sich der verwundete Sagdejew und Kuzin, eingezwängt in einem Felsspalt. Die Rebellen forderten ihn auf, sich zu ergeben, aber er schrie zurück, ein Russe ergebe sich nicht, und bewarf sie mit Handgranaten.
«Sie hatten bald raus, dass ich der Kommandeur der Gruppe bin, und hielten ganz gezielt auf mich», erinnert sich Schabalin. «Ich weiß noch, sie schossen Granaten ab, mich rettete nur ein Erdhügel vor meinem Kopf, die Granaten prallten daran ab und detonierten auf der anderen Seite. Die Lage war äußerst kritisch. Lange konnten wir hier das Feuer nicht mehr erwidern, aber abziehen konnten wir auch nicht – die ‹Tschechen› hätten sonst Sagdejew und Kuzin getötet. Ich befahl Lajs, sich auf einen Sprint vorzubereiten.»
Im nächsten Augenblick vollbrachte Alexander Lajs seine Heldentat.
Ob ihm klar war, dass das seinen sicheren Tod bedeutete? Wahrscheinlich schon. Es muss ihm klar gewesen sein. Eine Heldentat wird nicht unbewusst getan. Aber er überlegte nicht. Er tat einfach, was er tun musste. Für Angst war keine Zeit mehr, weniger als eine Sekunde blieb ihm zum Leben – so viel, wie der Scharfschütze im Gesträuch brauchte, um den Abzug zu drücken.
Und die Zeit reichte ihm. Er erhob sich auf ein Knie und deckte seinen Kommandeur.
«Ich begriff damals gar nichts», fährt Schabalin fort. «Lajs befand sich rechts von mir, und ich hatte ihm befohlen, sich auf einen Sprint vorzubereiten. Aber was heißt schon vorbereiten, man konnte ja nicht zum Start in die Hocke gehen. Halb lag er, halb saß er auf einem Knie und gab lange Feuerstöße ab. Dann erhob er sich für eine Sekunde und setzte sich wieder. Drehte sich zu mir und sagte: ‹Ich bin verwundet.› Ich bemerkte noch
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