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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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Streife zurück, will in die Kaserne – da läuft mir eine Frau nach: ‹Sind Sie Burkow?› – ‹Ja.› Sie reicht mir ein Telegramm. ‹Ihr Vater ist gefallen …›»
    Sein Vater fiel bei der ersten Operation im Pandschir-Tal. Die Truppen waren in eine Schlucht gegangen, um Ahmed Schah Massud an die Grenze zu drängen. Dass das hochriskant war, war ihnen allen von Anfang an klar. Damals wusste noch niemand, was das für eine Gegend ist – Pandschir. Sie drängelten da rein, als ginge es ans Buffet. Und bei Balandscheri gerieten sie in die Scheiße.
    Burkow senior koordinierte die Luftunterstützung – er flog im Kommandohubschrauber über der Schlucht. Als neben ihnen eine andere Maschine abstürzte, befahl er die Landung, um die Jungs aufzunehmen.
    «Bei der Landung wurden sie ebenfalls angeschossen: Ein Feuerstoß aus einer Duschka durchschlug den Heckträger. Aber sie kamen normal runter, ohne zu zerschellen. Vater befahl, den Hubschrauber zu verlassen. Die Flieger sprangen durch die Seitentüren, er befand sich noch im Passagierraum. Dort stehen die Treibstofftanks – sechshundert Liter Treibstoff –, und er brauchte eine Weile, um zum Ausgang zu gelangen. Diese Zeit, diese paar Sekunden hatte er nicht. Er war fast draußen, stand schon in der Tür, als der Hubschrauber explodierte. Er stand sofort in einem Feuerball und wurde aus der Maschine geschleudert. Die Jungs haben mir später erzählt: Das Einzige, was unverbrannt an ihm war, war ein weißer Hautstreifen unter der Koppel …»
    Den Vater nahm Burkow auf dem Flughafen Swerdlowsk allein in Empfang. Eine «schwarze Tulpe» landete, die Luke ging auf, er kletterte hinein. Mit rohen Brettern verkleideter Zink, darauf ein Schildchen – Oberst Burkow. Das war alles.
    Nach dem Tod des Vaters wurde der Junior nach Swerdlowsk versetzt – näher an zu Hause. Man gab ihm einen schicken Posten: Flugleiter am Flughafen.
    «Ein Ruhekissen. Ein Tag Dienst, drei Tage zu Hause. Dienstrang gesichert. Ein Oberstleutnantsposten – und das mir, dem Leutnant, der gerade aus der Ausbildung gekommen war. Das war eine Art Wertschätzung für den Sohn des gefallenen Obersten, damals kümmerte sich der Staat noch um seine Soldaten.»
    Aber Burkow wollte kein Ruhekissen. Er schrieb weiter seine Meldungen, die alle mit einem Satz endeten: «Ich will mich der Ehre meines Vaters würdig zeigen.» Die Meldungen kamen zurück: «Afghanistan kommt nicht in Frage, ein gefallener Burkow reicht.» Er schrieb neue. War überzeugt, dass zwei Burkows nicht in einem Krieg sterben könnten.
    «Es ging mir nicht um Rache. Rachedurstig war ich, Gott sei Dank, weder damals noch später. Wir sind einfach so erzogen worden: Wenn Krieg ist, hat der Offizier dabei zu sein. Und als man einen Fliegerverbindungsoffizier für Afghanistan suchte, habe ich mich als Erster gemeldet. Sie haben mich angeguckt wie einen Idioten. Alle wussten, was es bedeutet, ein Fliegerverbindungsoffizier zu sein: ständig mit der Infanterie in den Bergen rumlaufen, durchs Gestrüpp, durch die Wüste – bei Hitze und Kälte. Im Rang eines Oberstleutnants … Da muss man schon verrückt sein.»
    ***
    Ein Jahr nach seiner Ankunft in Afghanistan begann die zweite Operation im Pandschir-Tal. Wieder das Gleiche – Armee in die Schlucht, Kämpfer zur Grenze wegdrücken. Als Fliegerverbindungsoffizier war Burkow ganz vorn mit der Infanterie unterwegs. Er ging durch dieselben Berge, in denen sein Vater bei lebendigem Leibe verbrannt war.
    Diesmal war der Angriff besser organisiert. Der Kampf, an dem sein Regiment beteiligt war, war der einzige innerhalb von mehreren Tagen. Und verwundet wurde er als Einziger.
    «Der Befehlshaber der Luftstreitkräfte, General Kolodij, verfolgte die Operation. Er saß mit dem Brigadekommandeur zusammen. Sie redeten über Gott und die Welt, und dem Befehlshaber fiel plötzlich ein: ‹Unter meinen Leuten ist dieser Verbindungsoffizier Burkow, sein Vater ist genau hier gefallen, ich habe ihm heute ein letztes Mal erlaubt, ins Feld zu gehen. Wenn er zurück ist, hole ich ihn zu mir in den Stab, ich lasse ihn nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen.› Und kaum hatte er das gesagt, kam über Funk die Meldung: Burkow verwundet …»
    Als sie ihn zum Hubschrauber trugen, kam der Schmerz. Das linke Bein baumelte an einem Muskel und blieb immer wieder an Steinen hängen. Um es zu schützen, stellte Burkow das rechte Bein vor, aus dem ein Knochen herausragte.
    Als sie ihn die Treppe

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