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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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hatten alle Hände voll zu tun. Aufdeckung und Vernichtung von Karawanen der Rebellen, der Mudschaheddin. An die siebenhundert Einsätze bin ich geflogen. Mehrmals angeschossen worden. In Hinterhalte geraten, Rumpf und Rotoren unter Beschuss. Im Rayon Barakow kamen wir von einem Einsatz zurück, dort warteten sie schon auf einer Kuppe, mit kaum zwanzig Metern Höhenunterschied zu uns, und beschossen uns aus dem Granatwerfer, dann mit dem schweren MG . Die Bordwand war durchlöchert, aber wir stürzten nicht ab. Damit mussten wir immer rechnen. Munition griffbereit, falls du abstürzt – damit du bis zum Morgen durchhältst. Nachts holt dich keiner raus, findet dich kein Suchtrupp, deshalb Wasser und Munition, immer dabei.
    Wir flogen ohne Pause. Karawanen mit zwanzig Lastpferden, dreißig Lastpferden … Die größte – zweihundertdrei Lastpferde. Berge von Waffen, Berge von Medikamenten, die Mudschaheddin häuften so viel davon an. Um vier Uhr morgens hatten wir sie entdeckt, bis ein Uhr nachts beharkten wir sie. Auftanken, anfliegen, Truppen absetzen, danach kommen andere, Kampfhubschrauber Mi- 24 ‹Krokodil› fliegen an, wir hielten sie ununterbrochen unter Beschuss. Die ganze Karawane blieb in der Schlucht, mit fast dem gesamten Begleitschutz.»
    1994 war für ihn zunächst Schluss, mit einunddreißig Jahren. Eine Wohnung bekam von der Armee niemand, die Zukunftsaussichten waren gleich null, er quittierte den Dienst. Dann begannen die Reisen, die Einsätze. Und 1999 unterschrieb er wieder einen Vertrag.
    «Warum? Das war damals die beste Zeit, um was auf die Beine zu stellen, ein eigenes Business … Ich brauchte eine handfeste Beschäftigung. Erfahrung hatte ich. In Dagestan waren Chattab und Bassajew. Deshalb beschlossen meine Genossen und ich: Vorwärts! Ich fuhr mit meinem Freund Igor Nesterenko dorthin. Sie nahmen uns ohne Umschweife, denn wir waren gut ausgebildet, brachten unsere eigene Ausrüstung mit. Das Volk dort ist willig – nur fehlt es an Möglichkeiten, an Erfahrung, das ist Miliz, Volksaufgebot. Die Banden sind viel erfahrener und besser bewaffnet. Deshalb musste man ihnen helfen. Wir also hin. Zu zweit.»
    «Hattet ihr eure eigene Truppe?»
    «Igor Nesterenko, ich und die Dagestaner, Freiwillige. Wer eine Waffe halten konnte, zog los, die Grenzen verteidigen. Eine eigene Gruppe entstand, die den Truppen des Innenministeriums zugeordnet wurde. Später, als die Kampfhandlungen auf das Gebiet von Tschetschenien übergingen, sind wir rasch nach Moskau, haben einen Vertrag geschlossen, damit alles rechtens war, und sind zurück. So geht das bis heute. Zu tun haben wir genug. Aufspüren von Basen und illegalen Abteilungen – finden, vernichten, die Artillerie darauf ansetzen, die Luftwaffe. Wie die Spürhunde. Im Rayon Wedenskij, Vorgebirge, Gelajews Bande – da waren wir auch beteiligt. Am ersten Dezember 1999 fiel Igor Nesterenko. Bei Argun. Wir waren nachts auf einen gegnerischen Hinterhalt gestoßen. Der Kampf ging um einen Bahndamm. Wir waren zu fünfzehnt, sie über zwanzig. Zwei Jungs sind dortgeblieben.
    Wie viele Diensteinsätze es danach waren, habe ich nicht mal gezählt. Die Gesamtdauer kann man abschätzen, aber so … Alle ziehen ab, aber wir sind von 1999 bis 2005 Ende Dezember dageblieben.»
    «Was denkst du über Tschetschenien?»
    «Wenn ein Bandit zur Waffe greift, muss man ihn vernichten. Egal, wie viele es sind, einer, zwei, fünfhundert, zweitausend. Das Volk ist erwachsen, selbständig, das ist Demokratie. Wenn man etwas anstellt, muss man auch wie ein Erwachsener dafür einstehen. Damit sie nicht am Ende hier auftauchen, im Zentrum von Moskau. Deshalb muss man sie vor Ort erwischen, solange sie sich noch vorbereiten, formieren, trainieren. Besser dort vernichten, dann haben wir hier weniger davon. Das sind die Aufgaben der Aufklärer.»
    «Wie hast du dein Bein verloren?»
    «Tja, das hab ich schon fast vergessen, wie das war … Warte, gleich! Wir hatten eine Basis entdeckt, in den Bergen bei Ulus-Kert, die Einnahme gelang uns nicht, wir hatten einen Verwundeten. Einen Monat später gingen wir zum zweiten Mal dorthin. Artilleriebeschuss war vorbereitet. Aber auch die hatten sich vorbereitet. Während wir die Basis säuberten, hin und her, bin ich in die Luft geflogen. Da baumelten irgendwelche Lappen von mir herunter, sie sammelten mich mitsamt dem Stiefel auf und schleppten mich auf dem Buckel zum Hubschrauber. Ab nach Chankala. Dort schauten sie sich das an,

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