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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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nach Irak geschickt wurde. Wir wurden in die Provinz Anbar verlegt. Das war 2003 , Bagdad war schon erobert.»
    «Du hast also wirklich in der amerikanischen Armee gedient? Nicht bei den UN , nicht bei den Friedenstruppen, sondern in der U.S. Army?»
    «In einem Korps der Marineinfanterie. USMC .»
    «Hast du mit Amerikanern gedient, oder war das eine gesonderte slawische Einheit?»
    «Offiziell galten wir nicht als Fremdenlegion, obwohl man das im Prinzip so hätte nennen können. Das war die fünfzehnte Unit, wiederbelebt von der militarisierten Einwanderungsbehörde, ich habe vergessen, wie sie richtig heißt. Dort landeten im Grunde alle, die irgendwann eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hatten und auf diesen Listen standen. Russen, Juden, Kroaten, Belarussen, Latinos. Viele Balten. Dort bei der Marineinfanterie ist das so üblich – du kannst einen Antrag stellen, und er wird geprüft.»
    «Hattest du damals schon die Staatsangehörigkeit?»
    «Nein.»
    «Als was hast du gedient?»
    «Als Kommandeur einer Sicherungseinheit. Bei denen gehen die Sturmtruppen voran, die Spezialeinheit. Wenn sie auf Widerstand stoßen, rufen sie sofort die Luftwaffe. Etwa so wie bei uns in Afghanistan. Und wir sind ihnen gefolgt. Die zweite Staffel. Das Bataillon, dem ich zugeordnet war, ist mit den Briten in Umm-Kasr einmarschiert. Dieses Bataillon hat den Durchbruch gesichert. Bei den Irakern war natürlich alles korrupt, die Gardesoldaten, die dort standen, hätten sich nicht lange gehalten, aber für vierundzwanzig Stunden war dort richtig Krieg.»
    «Zurück zu dir.»
    « 2004 begann der Partisanenkrieg – erobert war das Land, jetzt musste man es nur noch halten. Unruhen in Nadschaf und in Kerbela – bei den Muslimen die zweite Stätte nach Mekka, für die Schiiten ist es die wichtigste Pilgerstätte überhaupt, dort soll sich der Garten Eden befunden haben. Eine riesige Region des Landes war praktisch unkontrollierbar geworden. Die schiitische Mahdi-Armee hatte sich formiert, anfangs unterstützt von den Amis, später von ihnen bekämpft. Sie wollten Garnisonen einrichten, Statthalter in den Städten ernennen und sich in die zweite Linie zurückziehen. Doch diese Statthalter wurden niedergemetzelt, die Städte gerieten außer Kontrolle. Zwei Krisenherde bildeten sich, in denen es steinzeitlich zuging, wo keine Konvois durchkamen, Posten zerstört wurden. Dazu die Politik – Saddam hatte die Islamisten unterdrückt, hatte versucht, die weltliche Macht in dieser Region zu stärken. Mit seinem Sturz bekamen die ‹Glaubenskämpfer› freie Hand, sie brachten die Sunniten um. Von April bis August, bis as-Sadr in einer Moschee eingesperrt wurde, war Krieg. Diese Zeitspanne war die allerhärteste.»
    «Du hast ihn gefangen genommen?»
    «Ja. Einmal kommen wir mit der Kolonne in einen Kischlak, ein traditionelles Dorf. Von dort: ‹Rattatata!› Eine reaktive Panzerbüchse. Die Granate kratzt den Hammer an und prallt zurück. Oben sitzt der MG -Schütze, plappert irgendwas Unverständliches, Englisch ist auch nicht seine Muttersprache. Aber er reagiert rechtzeitig. Ich erinnere mich genau – aus dem Kischlak wird das Feuer eröffnet, er dreht sein MG , eine Browning vom Typ unseres großkalibrigen Wladimirows, und hält voll darauf. Die Lehmhütten fliegen in Fetzen. Ich sehe noch, wie dort ein Mann herausspringt, zu fliehen versucht, und es ihm einfach ein Bein abreißt. Ich hatte den Eindruck, er will noch auf einem Bein weiterlaufen. Danach spritzen nur noch Sandsäulen hoch …»
    «Wie lange warst du insgesamt im Irak?»
    «Fünf Monate. Nach meiner Verwundung wurde ich bei den Marineinfanteristen entlassen und arbeitete als Leibwächter für eine britische Personenschutzfirma und bei der russischen Mission. Schade, dass die russischen Unternehmen Leute wie mich so wenig in Anspruch genommen haben. Wir haben die Erfahrung. Im Osten an sich und im Irak ganz besonders kannst du alles kaufen. Auch das Leben selbst. Das klingt vielleicht gekünstelt, aber mit uns hätte man viele Opfer dort vermeiden können.»
    «Michail, sag … Du bist amerikanischer Staatsbürger. Soweit ich weiß, unterschreibt man bei der Annahme der Staatsbürgerschaft so eine Art Vereinbarung, dass man im Konfliktfall für die USA kämpft und sein früheres Vaterland vergisst. Stell dir vor, ein dritter Weltkrieg beginnt, wirst du diese Verpflichtung einhalten?»
    «Nein, natürlich nicht. Diese Frage habe ich mir nicht einmal gestellt. Ich

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