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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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verstehe dieses Land nicht als meins, obwohl ich sogar ein Haus in Florida habe. Für mich ist das einfach ein Abenteuer. Ich hatte Gelegenheit zu reisen – die habe ich genutzt. Ich wollte sehen, was das ist, die Armee der USA , und habe es gesehen. Ich wollte sehen, was die israelische Armee ist, und habe es gesehen. Mir ist im Leben alles geglückt – ich habe sowohl hier als auch dort gedient. Das kann man so sehen wie deine journalistischen Reisen, aber auf keinen Fall betrachte ich Amerika als mein Vaterland. Ich habe schon ein Vaterland. Hier in Russland habe ich meine Freunde, Russisch ist meine Muttersprache. Leute wie ich müssen, glaube ich, erst mal dort hineinriechen, um zu begreifen, wo sie hingehören. Ich habe verstanden, dass ich niemals ein vaterlandsloser Geselle sein werde. Manche mögen denken, ich hätte meine Heimat verraten. Sollen sie.»
    «Ein Söldner?»
    «Je nachdem. Der Begriff ist eher negativ besetzt. Heute wollen alle ‹Patrioten› sein. Vor zwei Jahren war Amerika noch der große Freund, heute ist es unser Hauptfeind! Ich will nicht mehr darüber diskutieren. Manche sind Profis geworden, haben sich zum Dienst entschieden, später wirft der Staat sie weg, obwohl sie für ihn in Afghanistan, in Tschetschenien gekämpft haben. Und? Was soll man tun? Wenn wir nichts anderes können? Wir werden nicht gegen Russland losziehen. Und wie du nun dein Ziel erreichst – schließlich stiehlst du nichts, bist kein Räuber. Jetzt haben unsere Energieunternehmen eine große Ausschreibung in Harta gewonnen. Sie werden die Energieversorgung im ‹sunnitischen Dreieck› wiederaufbauen. Die Dokumente sind unterzeichnet, die Weltbank soll erste Raten überweisen. Sie brauchen doch einen Personenschutz?»
    «Wie verstehst du dich selbst – als Söldner, Profi, Abenteurer?»
    «Weiß der Teufel. Wenn es hart auf hart kommt, ist das Vaterland ein verschwommener Begriff. Da sagt man dann später: Sie haben fürs Vaterland gekämpft, und das ist wirklich so, aber in dem Moment kämpft jeder für sich selbst und für den, der an seiner Seite steht. Ganz einfach: Dort sind die Feinde, hier die Freunde. Du schlägst dich, weil du siegen musst, weil du in diese Situation geraten bist. Und dich da hineinbegeben hast. Ich würde es das Gespür fürs Leben nennen. Da werden andere Werte eingeschaltet – und nicht die übelsten, muss ich sagen. Die Einstellung deiner Kameraden zu dir und vor allem deiner Feinde. Dieser Kontrast gibt dir Lebenskraft. Das ist wie eine Droge. Ich habe einen Menschen gesehen, der ein Bein verloren hatte – er war in ein fremdes Land gekommen, in einen fremden Krieg, hatte sein Bein dagelassen, aber wenn er sich wieder hätte entscheiden sollen, hätte er nichts anderes gewollt. Wer das selbst mal gespürt hat, wird mich verstehen. Die anderen sollen mich meinetwegen einen Idioten nennen.»
    «Wofür hast du im Irak gekämpft?»
    «Am Anfang dachte ich, das wäre richtig. Diese finsteren Gesellen, die Kurden, die dort seit vierzig Jahren kämpfen, für die war Saddam ein erbitterter Feind. Du kommst nach Kurdistan, und man achtet dich allein schon dafür, dass du dort bist. Und wenn du dann noch ein paar Worte Kurdisch kannst, bist du sowieso ein Bruderherz. Ich hatte das Gefühl, dass ich dort gebraucht werde. Heute hat sich meine Meinung geändert. Da war zum Beispiel so ein Kampf. Realistisch gesehen waren da vielleicht zwei, drei Kämpfer, aber wir hatten einen Panzer und haben das halbe Dorf in die Luft gejagt. Und dann … Ich weiß nicht, ob ich das erzählen soll … Für mich ist es eine Tragödie. Die Kolonne geriet in einen Hinterhalt, unsere Aufgabe war, sie aus dem Feuer zu holen. Wir steigen aus, rennen an die Lehmmauer. Ein Feuergefecht. Aus einem Fenster kommt MG -Feuer. Der Kamerad gibt mir Deckung, ich renne bis zur Hausmauer. Da höre ich im Kopfhörer: ‹Abrücken!› Wenn ich jetzt den Rückzug antrete, dachte ich, gerate ich hundertprozentig unter Beschuss. Ich hatte auch keine Kraft mehr. Jeder Soldat an meiner Stelle hätte das getan, was man ihn gelehrt hat. Ich werfe also eine Handgranate hinein. Ergebnis: zwei Tote. Ein Mann und ein Junge, vielleicht dreizehn Jahre alt. Dieser Mudschahed hatte seinen Sohn mitgenommen und ihm ein MG in die Hand gedrückt. Bei ihnen gilt man mit dreizehn, vierzehn schon als Krieger … Es gab viele solcher Fälle. Säuberung eines Kischlak, da steht ein Soldat, zwei Jungs kommen mit Kalaschnikoffs auf ihn zu, er

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