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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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seinen Neffen nicht beleidigen will. Schließlich hat der treu zur Familie gehalten, ihre Geheimnisse gewahrt und sich bei Mullah Ali für sie eingesetzt.
    Ihr Vater räuspert sich. »Wie dem auch sei, sie ist noch zu jung.« Er tut das Thema mit einer Handbewegung ab, als würde er eine einsame Mücke verscheuchen, die zu klein ist, um sich groß anzustrengen, und zu lästig, um sie zu ignorieren.
    Victory
, denkt Saba und gratuliert ihrem Vater insgeheim.
    »Wissen Sie, was eine gute Wahl für Saba wäre?«, sagt Khanom Basir. »Agha Abbas. Er mag alt sein, aber er ist reich und gütig.«
    Saba will protestieren. Agha Abbas ist der älteste Junggeselle, den sie kennen, verwitwet und sogar noch älter als ihr Vater. »Saba und ich werden das später entscheiden«, sagt Agha Hafezi hastig, um ihr zuvorzukommen.
    Sie lehnt sich an ein Kissen und betrachtet die sanften Augen ihres Vaters, die Art, wie er nicht gemeinsam mit den Leuten aus dem Dorf isst und ihre ländlichen Weisheiten abtut. Sollte sie ihm zeigen, dass sie dankbar ist? Nein, er würde nicht verstehen, was sie meint. Wahrscheinlich wird er sie bemitleiden. Sie beäugt die geschlängelten blauen Linien an Mullah Alis Knöcheln, als er sich über den
sofreh
beugt.
    Varicose veins
nennt man die, denkt sie.
    Sie beobachtet die Geistlichen und wartet auf die dunklen Stunden spätnachts, wenn endlich keiner mehr daran denken wird, Ehen zu arrangieren, und ein unverheiratetes Mädchen mit zu viel Temperament vielleicht die Gelegenheit bekommt, sich zu amüsieren.
    * * *
    Seit Mahtab fort ist, verkriechen Saba und ihre Freunde sich während solcher Feste gern in der dunklen Speisekammer der Küche. Stets finden sie einen Moment, sich davonzustehlen, und wenn auch bloß für zehn Minuten. Jetzt sitzen sie im Kreis in ihrem Versteck. Ponneh holt eine kleine Sodaflasche mit einer klaren Flüssigkeit hervor. Rezas Augen leuchten auf, und er greift in seine Tasche. Ein halb gerauchter Haschischjoint.
    »Wo hast du den denn her?«, fragt Ponneh.
    Reza tut lässig. »Von einem der Männer auf dem Marktplatz.« Saba bezweifelt das. Selbst der Teheraner würde sich nicht mitten auf dem Marktplatz mit ihr treffen, schon gar nicht, wenn er Drogen dabeihätte.
    Ponneh wirft einen Blick zur Tür. »Hier in der Kammer? Und wenn einer was riecht?«
    »Ich bitte dich«, sagt Reza. »Das ganze Haus riecht komisch. Falls sie uns erwischen, sagen wir einfach, wir hätten ihn in Agha Hafezis Schlafzimmer gefunden.«
    »Tolle Erklärung«, murmelt Saba.
    »Also. Mustafa hat mir schon wieder einen Antrag gemacht«, erzählt Ponneh. »Der findet, dass
pasdar
-Uniformen gut aussehen. Eher sterbe ich.« Saba kichert. Reza schnaubt nur kurz und zündet den Joint an.
    Sie sitzen eine halbe Stunde zusammen, konsumieren ihre heimlichen Schätze und blicken dabei alle paar Sekunden zur Tür. Saba genießt die Nähe, während sie gemeinsam in der Dunkelheit rauchen. Es ist ein Laster, das in diesen Zeiten nur die allerbesten Freunde miteinander teilen. Sie lässt einen dicken Rauchschwall aus dem offenen Mund strömen und atmet ihn durch die Nase wieder ein. Ponneh pafft nur vorsichtig. Sie führt den kleinen Joint an die Lippen, sieht Reza in die Augen und schaut dann weg. Sie reicht ihm den Stummel und lehnt sich zurück gegen ein mit Dosen gefülltes Regal.
    Als Saba und Ponneh zehn Minuten nach Reza ins Wohnzimmer zurückkehren, vergnügen sich die Erwachsenen ganz ähnlich wie sie. Erzählen zotige Witze. Lassen Kopftücher auf Schultern gleiten. Sie setzen sich auf den Teppich neben einen Berg Kissen. Ponneh löst den Knoten um ihren Hals und schiebt das Tuch ein Stück nach hinten, damit zwei, drei Fingerbreit seidiges braunes, locker in der Mitte gescheiteltes Haar zum Vorschein kommen, das offenbar jeder sehen soll. Saba sagt sich, dass das Haschisch sie bloß ein bisschen paranoid gemacht hat. Sie kann ihre Finger riechen, diesen köstlichen, erdigen Staub. Auch Saba möchte ihren Hidschab ablegen, aber sie muss noch warten. Sie ist größer, kurviger – auf eine sündhafte Weise schön, die andere Frauen vor lauter empörter Frömmigkeit den Kopf schütteln lässt, während Ponneh die unschuldige Schönheit ausstrahlt, die Frauen bewundern.
    Saba beschäftigt sich damit, noch mehr Wasser mit Minze und Zitrone zu holen. Als sie zurückkommt, hört sie ihre Freunde miteinander flüstern, wobei sie so tun, als würden sie über Belanglosigkeiten plaudern.
    »Aber warum denn nicht?«,

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