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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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Unterbewusstsein von schönen Frauen spezialisiert haben. Sie lächeln schief und krempeln sich die Hemdsärmel hoch, in denen sie dann Zigarettenpackungen verstauen, und sie respektieren Mahtabs Recht, zu tun, was sie will. Das ist die Regel. Glaub mir. Sie sind klug genug, nicht an dieser Regel zu kratzen. Barkeeper sind gute, vernünftige Menschen.
    Als einige Zeit vergangen ist und Mahtab sich wieder glücklich fühlt, bemerkt sie James, der mit jemandem an einem Tisch sitzt. Sie rutscht von ihrem Barhocker und geht hinüber. Ertappt stammelt er eine Begrüßung, ehe er zu seiner Trinkgenossin hinüberschielt – es ist Simone, die unglückliche New Yorker Prinzessin. Sie trägt einen langen weißen Nylonmantel, der aussieht wie ein Bademantel aus Plastik. Mahtab findet ihn farblos und hässlich, aber sie macht ihr trotzdem ein Kompliment, weil das eine Gepflogenheit ist, die Damen von Welt gemeinsam haben.
    »Hallo«, sagt Simone. »Ich glaub nicht, dass James heute Abend Lust auf eine große Diskussion hat.«
    »Und was machst
du
dann hier?«, fragt Mahtab.
    Simone nimmt liebevoll ihre Hand. Mahtab schaudert innerlich. »Hör mal,
Mah
-tab, ich weiß ja, dass das deine erste Beziehung ist, wenn man es so nennen will. Aber ab und zu müssen Männer einfach mal mit jemand anderem als ihrer Freundin reden, verstehst du?«
    »Was für ein boshaftes Mädchen«, schimpft Khanom Mansuri. »Aus welchem kranken Schoß kriecht denn so eine Schlange?«
    Ja, fürwahr, Frauen wie sie gibt es überall. Aber keine Sorge, James will sie nicht. Sie ist nur so eine, die sich gern einmischt.
    Er sieht müde aus und leicht zerzaust. Er trinkt aus seinem übergroßen Bierglas und wirft Simone einen wütenden Blick zu. »Was soll das, Simone? Ich hab doch gesagt, du sollst dich da raushalten.« Mahtab hat ihn noch nie so reden hören. Diese barsche Art kommt ihr feige vor. Sie hat ihn noch nie unangenehm betrunken erlebt, das Gesicht von Verwirrung und Ärger verzerrt.
    Sie setzt sich zu ihnen an den Tisch. Der Geruch seines Atems ist übermächtig, und sie fragt sich, ob sie diesen Jungen überhaupt mag. Simone rückt in die Ecke der Sitzbank, schlägt die Beine übereinander und zieht den Mantel fester um sich. James wartet und beobachtet Mahtab mit einem Gesichtsausdruck, der immer unglücklicher wirkt.
    »Was ist los?«, fragt sie. »Du ignorierst mich. Ist irgendwas mit deiner Mutter passiert?«
    James stößt ein bitteres Lachen aus. »Hör mal, May, ich bin nicht dein Fußabtreter.« Schon wieder so ein schöner Ausdruck, den ich nicht ganz genau erklären kann. Er bedeutet in etwa:
Ich bin nicht dein Mädchen für alles.
Mahtab verschlägt es die Sprache. Er redet weiter. »Ich muss nicht angelaufen kommen, wenn du mit dem Finger schnippst. Ich muss dir nicht erzählen, mit wem ich befreundet bin, und selbst wenn ich angelaufen käme, würdest du mir sowieso nur eine Liste geben, was ich alles für dich erledigen soll.«
    »Aber ich hab nie … Du bietest mir das doch immer an. Ich dachte, du machst das gern …«
    »Ja, am Anfang. Aber wann hast du je gefragt, ob du irgendwas für mich tun kannst?«
    Verwirrung umhüllt Mahtab wie ein schmutzig weißer Mantel, nass und schwer auf ihren Schultern. Sie versucht, sie abzuschütteln, sich davon zu befreien. Als es ihr nicht gelingt, lässt sie die Schultern sinken und beginnt, an den Nägeln zu kauen. James beugt sich zu ihr und versucht, ihre Hand zu nehmen, sodass er und Mahtab jetzt ungestört weiterreden können, eine Barriere aus Armen und Gläsern zwischen ihnen und Simone.
    »Hör mal, May, ich weiß das von dir und dem Iran und den ganzen Problemen mit Männern, aber –«
    »Männer meinen immer, sie wüssten Bescheid«, seufzt Khanom Mansuri. »Immer, immer.«
    »Ich hab keine Probleme mit Männern«, faucht sie.
    »Meinetwegen, aber so läuft das für mich nicht. Es ist unmännlich, die Sachen für dich aus der Reinigung zu holen und mich von dir rumkommandieren zu lassen. Du machst das vor allen. Und sogar wenn meine Mom …«
    »Ich wollte sie nicht korrigieren.«
    »Was? Nein … du hast mich in ihrem Beisein losgeschickt, dir was zu trinken zu holen. Du hättest dir ein bisschen Mühe geben können. Verdammt, zur Abwechslung hättest du
mir
mal einen Kaffee holen können … Das war peinlich, okay?«
    Mahtabs Gesicht wird heiß. Verlangt er von ihr, ihn zu bedienen? Will er das? Sie weiß nicht genau, ob sie verlegen oder wütend ist. Sie massiert sich die

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