Ein toedlicher Verehrer
auch anstrengte, unverfänglich auszusehen und zu klingen, er würde nie so harmlos wirken wie Rusty. Dafür war er zu groß, und wie Rusty selbst angemerkt hatte: »Du hast immer diesen Haifischblick.« Bei Frauen war Rusty besonders gut; sie ließen sich gern von seiner arglosen Miene einwickeln.
Cahill verfolgte die Vernehmung gemeinsam mit dem Lieutenant und zwei weiteren Ermittlern auf dem Videomonitor. Sarah saß praktisch reglos da und starrte die meiste Zeit ins Leere, als hätte sie emotional alle Schotten dicht gemacht. Cahill fiel ein, dass sie nach dem ersten Mord genauso reagiert hatte. Eine Schutzreaktion vielleicht? Eine Methode, Distanz aufzubauen? Oder geniale Schauspielerei?
»Wo waren Sie vergangene Nacht?«, fragte Rusty ganz freundlich.
»Bei Cahill.«
»Detective Cahill?«
»Ja.«
»Warum waren Sie bei ihm?«
»Ich habe das Wochenende mit ihm zusammen verbracht.«
»Das gesamte Wochenende?«
»Den Samstag nicht. Am Samstagabend war eine Party. Da musste ich arbeiten.«
»Wann sind Sie bei Detective Cahill angekommen? Nach der Party am Samstag.«
»Um vier Uhr morgens?« Sie ließ es wie eine Frage klingen. »Ich weiß es nicht mehr. Sehr früh. Vor der Morgendämmerung.«
»Warum so früh am Morgen?«
»Damit wir zusammen sein konnten.«
Gott sei Dank fragte Rusty nicht nach ihrer Beziehung. Er wollte vor allem die Zeiten festhalten. »Waren Sie den ganzen Sonntag mit ihm zusammen?«
»Ja.«
»Und den Sonntagabend haben Sie auch mit Detective Cahill verbracht?«
»Ja.«
»Was ist mit gestern? Montag. Was haben Sie gemacht, nachdem Detective Cahill weg musste?«
»Scheiße, ich glaube, Rusty hält sich für einen Anwalt«, murmelte Detective Nolan. »Hört euch diese Fragen an.«
Die Fragen waren ungewöhnlich präzise und bauten logisch aufeinander auf. Normalerweise verlief eine Vernehmung weniger strukturiert, weil der Verdächtige oder Zeuge zum Plaudern animiert werden sollte. Doch Sarah war kein bisschen nach Plaudern zumute; sie antwortete ausschließlich auf die gestellten Fragen und das so knapp wie möglich. Folglich blieb Rusty nichts anderes übrig, als ihr jede Information einzeln aus der Nase zu ziehen.
»Ich habe trainiert. Und eingekauft.«
»Sonst nichts?« »Ich war bei der Maniküre.«
»Wo haben Sie trainiert?«
»Im Keller.«
»In was für einem Keller?«
»Von Cahills Haus.«
Und so weiter und so fort, bis er genau erfahren hatte, wann und wo sie bei der Maniküre gewesen war, wo sie eingekauft hatte, wann sie im Supermarkt gewesen war. Was hatte sie danach gemacht? Abendessen gekocht. Spaghetti. Sie war gerade damit fertig, als Cahill heimkam. Dann bekam er einen Anruf und musste fort. Er habe gesagt, er würde mehrere Stunden fort bleiben.
Rusty sah in seine Notizen. Er wusste genau, wann Cahill angerufen worden war und wann er wieder heimgekommen war. Er hatte die Uhrzeit auf dem Kassenzettel für das Eis. Wenn sie an den Zeiten zu drehen versuchte, würde er es merken. »Was haben Sie dann getan?«
»Die Küche sauber gemacht und ferngesehen.«
»Sonst nichts?«
»Ich bin Eiscreme kaufen gefahren.«
»Wann war das?«
»Weiß ich nicht mehr. Nach acht.«
»Wohin sind Sie gefahren?«
Sie sagte ihm den Namen des Supermarktes.
»Wann sind Sie vom Supermarkt wieder weggefahren?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Können Sie schätzen, wie lange Sie im Supermarkt waren?«
Sie zog eine Schulter hoch. »Eine Viertelstunde?«
»Wohin sind Sie gefahren, nachdem Sie den Supermarkt verlassen haben?«
»Zurück zu Cahills Haus.« »War er dort?«
»Ja. Er ist früher heimgekommen als erwartet.«
»Wann war das?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.«
»Haben Sie auf dem Weg vom Supermarkt zu Cahills Haus irgendwo angehalten?«
»Nein.«
»Sie haben gesagt, Sie hätten schon tagsüber eingekauft. Warum haben Sie da keine Eiscreme besorgt?«
»Da hatte ich noch keine Lust darauf.«
»Sie haben plötzlich Lust auf Eiscreme bekommen?«
»Ja.«
»Bekommen Sie oft Lust auf Eiscreme?«
»Einmal im Monat.«
Rusty sah sie erstaunt an. »Wieso ausgerechnet einmal im Monat?«
»Immer vor meiner Periode. Da brauche ich Eiscreme.«
»Puh«, flüsterte Nolan in Cahills Ohr. »IÜS.« Informationsüberschuss. Er wollte lieber nichts vom weiblichen Monatszyklus hören.
Rusty wirkte ebenfalls leicht irritiert, als wüsste er nicht, was er mit dieser Information anfangen sollte. Cahill sah weiter mit ausdrucksloser Miene zu.
Weitere Kostenlose Bücher