Ein toedlicher Verehrer
hatte nur noch wenige Haare und die so kurz geschnitten, dass er seine Frisur dadurch nur unwesentlich durcheinander brachte. »Wie lange geht das schon?«
»Seit sie im Mordfall Roberts von der Liste der Verdächtigen gestrichen wurde.«
»Scheiße. Ganz ehrlich, Doc, ich hab da kein gutes Gefühl. Vielleicht haben wir sie in dem anderen Fall zu früh von der Liste gestrichen. Wie stehen die beschissenen Chancen, hm?«, fragte Wester hektisch flüsternd. »Es hat hier seit Jahren keinen Mordfall gegeben; dann kommt sie in die Stadt, und jeder ihrer Arbeitgeber kriegt eine Kugel in den Kopf, einen sauberen, professionell gesetzten Schuss. Das erste Opfer hat ihr Hunderttausend vermacht. Diesmal fehlt ein riesiger Diamant im Wert von einer Viertelmillion, und wissen Sie was? Sie hat das selbst festgestellt, als sie den Leichnam der Frau identifizieren musste. Zufall, leck mich am Arsch. So viele Zufälle gibt’s gar nicht. Ich hab das lausige Gefühl, dass es nicht gut aussieht für Ihre Freundin.«
»Ja«, bestätigte Cahill tonlos. »Ich weiß.«
23
Lieutenant Wester steckte in der Zwickmühle. Er brauchte jeden Mann, aber er wollte den Fall nicht gefährden, indem er die Wasser von einem Interessenkonflikt trüben ließ. Zu diesem Konflikt kam es nur, wenn Cahill sich von seinen Gefühlen leiten ließ. Er war der Meinung, dass Cahill das vermeiden konnte; Cahill selbst war fest davon überzeugt. Es wäre eine Belastung, aber er würde damit umgehen können. Trotzdem war es besser, wenn Cahill mit etwas anderem beauftragt wurde.
Cahill wusste ebenfalls, dass es besser so war, dennoch ärgerte er sich maßlos. Nicht dass der Lieutenant so entschieden hatte, sondern dass er überhaupt entscheiden musste. Cahill hatte das Gefühl, dass er irgendwo versagt hatte; irgendwann war ihm irgendetwas entgangen. Wenn Sarah tatsächlich die Morde begangen hatte - oder in Auftrag gegeben, diese Möglichkeit durfte er nicht ausschließen -, dann hatte er auf ganzer Linie versagt, weil er seiner ersten Eingebung nicht weiter gefolgt war, und deshalb zwei Menschenleben auf seinem Gewissen hatte.
Und falls Sarah unschuldig war - eine Möglichkeit, die von Minute zu Minute unwahrscheinlicher wirkte -, dann lief hier irgendetwas ganz entsetzlich schief. Diese Sache mit dem Anhänger: War ihr wirklich ein Irrer auf den Fersen, oder hatte sie sich das Geschenk selbst geschickt, um notfalls den Verdacht von sich abzulenken?
Vielleicht war er nicht mehr mit dem Fall betraut, dennoch arbeitete sein Hirn auf Hochtouren, um alle möglichen Szenarien durchzuspielen.
Er bat darum, mit ihr sprechen zu dürfen. Als ihr Freund wollte er sichergehen, dass ihr nichts fehlte, doch als Polizist wollte er gleichzeitig wissen, wie sie aussah, wie sie reagierte. Körpersprache und physische Reaktionen verrieten eine Menge.
Sarah war in ihrem Bungalow und saß auf dem Sofa in ihrem gemütlichen Wohnzimmer, wo ihr ein Sanitäter das rechte Knie verband, während ein Streifenbeamter von der Tür aus zusah. Ihr Hosenbein war zerrissen, und Cahill konnte die rostroten Blutflecken darunter sehen. Ihr Gesicht war weiß wie Papier.
»Was ist passiert?«, fragte er, in sicherer Entfernung wartend.
»Sie ist im Hof gestolpert und hat sich das Knie aufgeschlagen«, antwortete der Sanitäter ungerührt, wobei er einen Verband über die bläuliche, immer noch nässende Wunde zog. »Morgen wird es wehtun«, prophezeite er Sarah.
Sie nickte geistesabwesend.
»Wo bist du gestolpert?«, fragte Cahill. »Und wie?«
»Ich bin nicht gestolpert«, Sarahs Stimme war so dünn, dass sie fast durchsichtig wirkte, und ohne jedes Gefühl. Sie sah ihn nicht an. »Mir sind einfach die Beine weggeknickt, und ich bin auf meinem Knie gelandet.«
»Wann?«, wiederholte er.
Sie machte eine vage Geste. »Als ich nach einem Telefon gesucht habe.«
»Wieso hast du nach einem Telefon gesucht?« Soweit er gesehen hatte, standen überall im Haus Telefone herum, darunter ein kaputtes in der Küche.
»Um anzurufen. Wegen -« Wieder eine vage Geste, diesmal zum Haus hin.
»Im Haus sind mehrere Telefone. Wieso bist du hierher gekommen?«
»Ich hab nicht gewusst, wo sie liegt. Ich wollte... ich wollte sie nicht sehen.« Sie verstummte und sah ihm erstmals ins Gesicht. »Ich habe sie trotzdem gesehen. Ich musste sie identifizieren. Ich habe sie trotzdem gesehen.«
Die Schocksymptome waren gut, sehr überzeugend. Auch ihre Körpersprache deutete auf einen Schock hin - das
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