Ein toedlicher Verehrer
Es war auch so unangenehm genug, sein Privatleben auf diese Weise durchforsten zu lassen. Was sie wohl gerade dachte? Was ging wohl hinter diesen dunklen Augen vor?
Scheiße, was wusste er überhaupt von ihr? Was Frauen anging, war er eindeutig blind und dumm; er war Detective, und trotzdem hatte er ein gutes Jahr gebraucht, um zu merken, dass Shannon ihn betrog. Aber sich von einer Ehebrecherin hinters Licht führen zu lassen, war eines, eine Mörderin komplett falsch einzuschätzen etwas anderes. Er hatte mit dieser Frau geschlafen. Und neben ihr geschlafen. Mit ihr gelacht. Er hätte sein Leben darauf verwettet, dass sie einer der geradlinigsten Menschen war, die ihm je begegnet waren, und es bereitete ihm ausgesprochenes Bauchgrimmen, all das, was er von ihr als Frau wusste, mit jenen Indizien in Übereinstimmung zu bringen, denen zufolge sie eine eiskalte Mörderin sein konnte.
Und genau da lag der Haken. Sie hatten nichts als Indizien. Auch wenn ein Zufall so gut wie ausgeschlossen schien, hatten sie keinen einzigen echten Beweis dafür, dass sie die Morde begangen hatte.
»Meine Frau futtert dann immer Schokolade«, bestätigte Lieutenant Wester. »Ich weiß immer, wann sie ihre Tage kriegt; dann stopft sie sich die Backen mit Pralinen voll wie ein Eichhörnchen, das Wintervorräte sammelt.«
»Mein Gott, können wir nicht über was anderes reden?«, stöhnte Nolan.
Rusty war inzwischen bei den Ereignissen nach Sarahs Rückkehr zum Haus der Lankfords angelangt. »Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich bin ins Haupthaus hinüber, um Kaffee aufzusetzen.«
»Ist Ihnen dabei irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Die Alarmanlage war nicht eingeschaltet. Sie hat nicht gepiepst, als ich die hintere Eingangstür aufgeschlossen habe und ins Haus bin.«
»Ist das ungewöhnlich?«
»Wenn ich dort bin, schalte ich die Alarmanlage immer ein. Mrs. Lankford vergisst das allerdings hin und wieder.«
»Es war also nicht wirklich außergewöhnlich.«
»Eigentlich nicht.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe die Kaffeemaschine eingeschaltet und die Zeitung ... ich wollte die Zeitung in den Salon bringen. Mr. Lankford liest gern Zeitung, während er die Frühnachrichten sieht. Das Licht war an«, sagte sie, und ihre Stimme versickerte.
»Das Licht?«
»Das Licht im Flur. Es war an. Und alle Lampen auch. Die hätten so früh eigentlich nicht brennen dürfen.«
»Warum nicht?«
»Weil sonst nur ich so früh wach bin, und ich war eben erst ins Haus gekommen.«
»Was haben Sie da gedacht?«
»Ich dachte... dass vielleicht jemand krank ist.«
»Wieso haben Sie das gedacht?«
»Der Geruch. Mir ist der Geruch aufgefallen.« Sie umklammerte ihre Arme, als wollte sie sich festhalten, und begann leise vor und zurück zu schaukeln. Das Schaukeln zeigte, wie tief verstört sie war, so als würde der Körper automatisch nach Trost suchen. Jemand muss sie in den Arm nehmen, dachte Cahill, dessen Magen sich bei diesem Anblick noch mehr zusammenzog.
»Was für ein Geruch war das?«
Sie starrte ihn ausdruckslos an, hielt dann unvermittelt in ihrem Schaukeln inne und presste eine Hand auf ihren Mund. Rusty hechtete nach dem Mülleimer und konnte ihn gerade noch hochreißen. Sie beugte sich über den Eimer und begann heftig zu würgen, ohne irgendetwas außer Magensäure auszuspucken. Cahill biss die Zähne zusammen. Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, und das war vor Stunden gewesen. Sie würgte immer weiter, halb zusammengekrümmt, selbst nachdem sie ihren Magen geleert hatte, und die Geräusche, die sie dabei von sich gab, waren qualvoll anzuhören.
»Ich hole Ihnen etwas zum Abwischen.« Rusty ging zur Tür.
Sarah blieb zurück, über den Mülleimer gebeugt, den Körper von gelegentlichen Krämpfen geschüttelt. Im Beobachtungsraum war es mucksmäuschenstill. Cahill kämpfte gegen sein Bedürfnis an, ins Vernehmungszimmer zu stürzen und sie zu trösten. Er musste Rusty seine Arbeit machen lassen.
Rusty kehrte mit einem feuchten Papierhandtuch zurück. Sarah nahm es mit heftig zitternden Händen entgegen und wischte sich das Gesicht ab. »Verzeihung«, sagte sie erstickt, vergrub dann ihr Gesicht in den Händen und begann unter heftigem Schluchzen zu weinen. Cahill musste daran denken, wie sie damals nach dem Mord an Richter Roberts geweint hatte.
Oh Gott. Er konnte einfach nicht länger Zusehen. Er stand auf, ging im Zimmer auf und ab und versuchte, sich die Verspannungen im Nacken
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