Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Katholik und könnte
mich auf die Beichte freuen. Reue und Buße. Vor allem von Mädchen. Warum erzähle ich Ihnen das alles eigentlich?«
Ich deutete zur Decke. »Vielleicht weil Sie wissen, daß ich keinen Draht zu niemandem habe.«
Er drehte sich mir zu und drückte die Hände auf die Knie.
»O Gott, nein! Solche Unterscheidungen dürfen wir nicht treffen. In seinem Telefonbuch steht wirklich jeder. Keinem wird die Verbindung gekappt. Können Sie sich die Größe seiner Telefonzentrale vorstellen? Das dürfte es sein, was die niedere Geistlichkeit in den ersten tausend Jahren des ewigen Lebens tun muß. Telefondienst.«
»Sie befinden sich im Augenblick in der Warteschlange. Aber Ihr Anruf ist uns wichtig.«
»Besser, als einfach nur herumzuhängen und sich rechtschaffen zu fühlen. An schlechten Tagen wie heute habe ich das Gefühl, ich hole mir nur mein Gehalt ab, und dann bin ich froh, daß es kein Penny mehr ist. Meine Pflichterfüllung erschöpft sich darin, mich bei ihm einzuschleimen und auf seine Gnade zu bauen. Und indem ich versuche, anderen ein bißchen Trost zu spenden, schleime ich mich auch bei denen ein. Wie jetzt bei Ihnen.«
»Auf keinen Fall. Nicht bei mir.«
Er schaute mich nachdenklich an. »Ich bin eigentlich ziemlich versessen darauf, daß Sie mich mögen. Auch wenn Ihnen mein Glaube scheißegal sein sollte, möchte ich nicht, daß Sie deswegen weniger von mir halten.«
»Na ja, das löst mein Bedeutungslosigkeitsproblem für ein paar Sekunden.«
Er seufzte. »Da stehe ich jetzt an diesem wundervollen Ort. Eigentlich sollte ich versuchen, Sie zu bekehren. Wie einer dieser neuen Wanderprediger.«
»Was sind die eigentlich, wenn sie zu Hause sind?«
»Na ja, gerade dort wird man sie wohl kaum antreffen. Trommeln und Gitarren. Im Mittelgang tanzen. Verzückte Gesichter. Wenn der Bischof von Bath and Wells sagen darf, wo’s langgeht, sollten Leute wie ich besser aufpassen. Viel reiner Glauben. Viel Bibel. Ein benutzerfreundlicher Heiliger Geist ...«
»Also, davon habe ich absolut keine ...«
»Moment mal. Wissen Sie, wenn er ganz Mann war, wie er ganz Mensch war, kann man es nicht einfach dabei belassen, oder? Diesen Fragen darf man nicht ausweichen. Die Theologen sind deswegen ganz aus dem Häuschen. Erektion und Resurrektion. Auferstehung des Fleisches. Das ganze Fleisch, oder werden Teile ausgelassen?«
»Na ja«, murmelte ich, »darüber wird ja ziemlich viel geredet, vor allem in gewissen Teilen Londons. Der verfickte Jesus Christus.«
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte er bitter. »Irgendwann muß man aufhören, alles in Zweifel zu ziehen.«
Er war inzwischen sehr aufgeregt, deshalb schnitt ich ein Thema an, über das ich an diesem Vormittag etwas gelesen hatte.
»Frauen als Priester. Sind Sie dafür oder dagegen?«
Er seufzte erleichtert auf. »Das ist ein Problem. Es besteht die Gefahr, daß man die Vorstellungskraft verwirrt. Wir sollen ja Jesus repräsentieren, wissen Sie. Es gibt aber auch die Meinung, daß er schwul war, oder, da er ganz Mensch war, ein bißchen von beidem. Sowohl die Königin wie der König der Juden.«
»Da komme ich jetzt nicht mehr mit. Ich verstehe allerdings, daß es verwirrend ist. Die Beichte. Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch ...«
Er stöhnte auf, doch offensichtlich war das nicht gegen mich gerichtet, und dann fing er an, mit gesenktem Kopf vor dem Altar auf und ab zu gehen. Nach einer Weile blieb er stehen, breitete die Hände aus und schaute zur Decke hoch.
»Ich bin so gern hier, wissen Sie, an Orten wie diesem. Eine solche Kirche ist angefüllt mit so viel Vertrauen, das wir Hoffnung nennen, so viel Unwissenheit, die wir Glauben nennen, so viel Gemeinschaft, die wir Nächstenliebe nennen. Die Worte. Die Musik. Und darin kein wahres Wort im üblichen, faktischen Sinne. Ach, wie wunderbar hat die Menschheit in seinem Namen geträumt und erfunden. Die Galaxien der Phantasie. Wo gibt es heute noch ehrfürchtige Scheu? Verehrung und Staunen?«
»Wir sind der Wunder bar, könnte man sagen.«
Er ignorierte es oder hatte es nicht gehört, aber er kam die Stufen herunter und legte mir eine Hand auf die Schulter.
»Aber meistens reicht es eben nicht. Muß jetzt los. Kommen Sie uns doch mal besuchen. Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Völlig von der Rolle. Nur Gefasel.« Er drückte mir die Schulter. »Und Gott segne Sie. Das meine ich ernst.«
Ich wollte aufstehen, um ihm die
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