Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
hinunterfiel. Ich hatte das Treppenlicht angemacht, als ich nach oben ins Bad ging — man kann es nur unten am Fuß der Treppe einschalten –, und mein Sohn schaltete es aus, als ich auf dem Rückweg nach unten gerade den Fuß auf die erste Stufe setzen wollte. Der andere Grund, warum
ich stürzte, war der, daß ich meine Pinkelpause in die Werbeunterbrechung eines besonders spannenden Films gelegt hatte, zu dem als Alternative auf einem anderen Kanal eine erbauliche Sendung über eine Hungersnot im Fernen Osten kam. Meine Frau hätte nun meine Abwesenheit nutzen können, um zu dieser Sendung umzuschalten, und je länger ich weg wäre, desto länger würde ich mich selber fragen müssen, ob es ihr sehr unangenehm wäre, wenn ich wieder zurückschalten würde. Es ist schwer, meine Frau zu bitten, Leid auszuschalten. Einmal regte ich an, wir könnten uns doch ein gebrauchtes, billiges Schwarzweißgerät besorgen, so daß wir uns beide ansehen könnten, was wir wollten, sollte es je soweit kommen, daß wir unterschiedliche Sachen sehen wollten. Die Reaktion war so, als hätte sie mich überhaupt nicht gehört. Ich hoffe, sie hatte es wirklich nicht gehört. Ich hätte nie ihr Gewissen mit der Aussicht belasten mögen, daß wir eine Zwei-Geräte-Familie werden könnten. Was mich daran erinnerte, daß die Hambles überhaupt keinen Fernseher hatten und ich hinter ihren dünnen Vorhängen ein schwaches Flimmern gesehen hatte, das nur von Kerzen herrühren konnte. Wenn wir tatsächlich einen zweiten Apparat hätten, würde Virginia schon dafür sorgen, daß er drüben bei ihnen landete. Es ist natürlich die Heizung, die den Strom verbraucht. Vielleicht erfrieren sie ja.)
»Was schlägst du statt dessen vor?« fragte Virginia.
Sie klang ziemlich gereizt, deshalb zuckte ich nur die Achseln. Manchmal mag ich meine Tochter nicht so gern wie sonst, vor allem, wenn sie gereizt reagiert. Aber ich lasse mir mein Mißfallen nicht anmerken. Ich will niemanden moralisch unter Druck setzen. Das »Moralische« scheint sich hier eingeschlichen zu haben; es ist ein Wort, das in der Atmosphäre herumzuhängen scheint und nur darauf wartet, zuschlagen zu können. Ich zeige wenig Neigung zum Tadeln, vor allem, wenn es um meine Familie geht. Ich habe nicht den Wunsch, irgend jemand zu verändern, das liegt mir fern, denn ich weiß, ich könnte es nicht.
Sie ging also zu den Hambles, und ich steckte den Kopf unter die Motorhaube meines Auto, von wo aus ich beobachten kann, was
passiert, ohne selbst dabei beobachtet zu werden. Sie blieb etwa fünf Minuten lang im Haus und kam dann mit einem sehr kleinen Bund Karotten zurück. Ich hätte nichts dazu gesagt, hätte sie sie mir nicht direkt vor die Augen gehalten.
»Schau, was ich bekommen habe«, sagte sie.
»Wenn ich nicht wüßte, daß das Kerzen sind, würde ich sagen, es sind Karotten.«
»Sie hat sie gerade geputzt, als ich in die Küche kam, wenn du es unbedingt wissen willst.«
»Was hast du gesagt? ›Ich bin zwar wegen einer Kerze hier, aber die tun’s auch‹?«
»Sie hat sie mir angeboten, du Dummkopf.«
Ich schloß die Motorhaube meines Autos, wischte mir die Hände an einem Lumpen ab und erkannte erst mit einiger Verzögerung, daß es ein neues Taschentuch war. Ich konnte mir keine Unterhaltung vorstellen, die zu so einem Karottenangebot hätte führen können. Der Herbst war bereits fortgeschritten, und nicht einmal die Hambles hätten sie so klein und so regelmäßig im Wuchs im eigenen Garten ziehen können.
»Aber wie ist ... Was hast du ...«
»Ich habe gesagt, wir machen vielleicht nach dem Mittagessen einen Ausflug, und ob sie gern mitkommen möchten. Darauf hat sie gar nichts geantwortet, deshalb habe ich gesagt: ›Was für fabelhafte Karotten!‹, und da hat sie einfach die Hälfte zu einem Bund zusammengefaßt und sie mir gegeben. Sie wurde ganz rot im Gesicht, als ich gesagt habe, das kann ich nicht annehmen und ich muß dafür bezahlen, und da habe ich gewußt, daß ich sie nehmen muß.«
»Verstehe. Und was ist mit dem Ausflug? Kommen sie mit?«
»Wie gesagt, ich weiß es nicht. Ich glaube, eher nicht.«
Ich fing bereits an, mir Ausreden auszudenken, ein lange gebuchter Badminton-Platz, ein Problem mit dem Auto, ansonsten aber sei es eine gute Idee. Ich wünschte mir, meine Frau wäre dabei. Sie schafft es immer sehr gut, direkt zum Wesentlichen vorzustoßen.
»Weiß deine Mutter Bescheid?«
»Mum kommt doch nicht mit, oder?«
»Es wäre mir
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