Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
natürlicher zu sein als für uns. Das ist so offensichtlich, daß es irgendwo im Gehirn verankert sein muß — also keine Folge dessen, was meine Frau, die wirklich eine geborene Helferin ist, »Konditionierung« nennt. Offensichtlich hatten sie darüber in Swindon sehr ausführlich gesprochen. Ich glaube, ich meine damit, daß ich mir wünsche, ich würde mich nicht beständig auf der Seite derjenigen finden, die zu jenen Gedanken fähig sind, wie ich sie so häufig habe; und ich meine jetzt nicht Leute wie Webb, ganz und gar nicht. Unserem Trieb auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, ihn im Hirn verankert zu haben, o ja, das hat nun wirklich rein gar nichts mit Konditionierung zu tun. Frauen helfen einem bei dem Problem auch nicht weiter, bei anderen noch weniger (oder mehr?). Wenn sie nicht wären, wären wir
nicht so verdammt hilflos. Aber wenn wir uns selbst nicht helfen können, wer tut es dann, wenn nicht sie? (Wenn einer denkt, er könne sich selbst helfen, dann sollte er schleunigst noch einmal gründlich darüber nachdenken.) Das ist alles nicht besonders hilfreich. Nicht für mich. Ich muß jetzt nach Hause gehen und fernsehen, worauf ich mich, wie ich bereits gesagt habe, sehr freue. Dem kann ich nicht abhelfen. Erspart einem das Denken über ... Verdammt, hier kommt Plaskett. Einer von uns.
»Sauber, sauber, Tom. Noch immer bei der Arbeit«, sagte er.
Das wär’s dann so ziemlich — ich kritzele vor mich hin und erreiche rein gar nichts.
KAPITEL ACHT
A ls nächstes kam Virginia zu mir, in Tränen aufgelöst.
Nach der Geschichte mit den Karotten hatte sie sich angewöhnt, die Hambles häufiger zu besuchen, und sie schienen einen Narren an ihr gefressen zu haben. Manchmal kam sie, selbstgebackene Plätzchen mampfend, nach Hause und hatte in einer Papiertüte auch noch welche für uns mit dabei. Sie habe Mrs. Hamble beim Backen geholfen, sagte sie. Dann wieder war es ein Kuchen.
Meine Frau befürwortete diese Nachbarschaftlichkeit, und eine Woche später schickte sie Virginia mit Kuchenzutaten zu ihnen hinüber, damit sie einen anderen backen konnten. Virginia half ihnen auch auf andere Art. Eines Tages kam sie mit Farbe auf dem Kleid nach Hause, und um dem Tadel der Mutter den Wind aus den Segeln zu nehmen, berichtete sie, Hamble habe die Küche geweißelt und sie habe ihm dabei geholfen. Als Dank schenkte Mrs. Hamble ihr ein Taschentuch, das sie in einer Ecke mit einer orangefarbenen und schockrosa Blume in einem Kranz aus limonengrünen Blättern bestickt hatte. Mrs. Hamble werde ihr auch eine Jacke stricken, sagte sie. Inzwischen ging sie ihnen bei allem möglichen zur Hand. Es waren noch andere Zimmer zu weißeln, und die Zahl der Kuchen wuchs. Einen Monat lang hatten wir fast jeden Tag Kuchen (der aussah wie Schokoladenkuchen, aber nicht nach Schokolade schmeckte und auch sonst nach kaum etwas).
Eines Samstagvormittags suchte ich nach Virginia, um sie zu bitten, mir bei einer Sache zur Hand zu gehen, und sah, daß sie im Hinterhof der Hambles einen Läufer ausschüttelte.
»Wird das nicht langsam zuviel des Guten?« fragte ich meine Frau.
»Wie kannst du so etwas nur sagen? Vom Guten kann es nie zuviel geben.«
»Ich weiß ja auch nicht, ich dachte nur ...« Ich wußte es tatsächlich nicht, außer daß ich es war, dem sie hätte zur Hand gehen sollen, bei etwas, das so wichtig war, daß ich inzwischen vergessen habe, was es war.
»Es ist das Natürlichste auf der Welt. Siehst du denn nicht, daß sie sich zu einem richtig netten Menschen entwickelt?«
»Was meinst du, warum sie ...«
»Wenn es um spontane Freundlichkeit geht, ist es manchmal kontraproduktiv, die Motive zu betrachten.«
Das mußte gerade sie sagen, da doch für sie Motive in der Gesellschaft als Ganzem für gewöhnlich einen sehr großen Stellenwert einnehmen. Vielleicht ist das beste Gute motivlos, wie reine, stinkende Faulheit, denn beide verlieren an Wert, wenn man an ihnen arbeiten muß.
»Und wenn sie irgendwann keine Lust mehr hat?« sagte ich. »Und sie nicht mehr besucht? Dann werden sie sie vermissen und sich fragen, was sie falsch gemacht haben.«
»Danke. Gutes Argument. Aber ich glaube, du unterschätzt sie. Sie ist sehr sensibel. Bei Adrian und Webb hast du dir diese Sorgen nicht gemacht. Sehe ihn in letzter Zeit fast gar nicht mehr. Warum eigentlich?«
»Hm ... Da ist sicher alles okay«, sagte ich.
Aber das war es nicht.
Eines Sonntagnachmittags war Adrian in der Garage und
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