Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
allein ihre wallenden Haare – wie konnte man dieser Flut in Marmor gerecht werden? Außerdem war sie immer in Bewegung, wandte sich hierhin, dorthin, hielt niemals still. Es war unmöglich, sich eine Gina vorzustellen, die lange genug stillhielt, damit man sie auf Papier bannen konnte, von Stein ganz zu schweigen. Dennoch juckte es Cam in den Fingern, es einmal zu versuchen.
Letztlich waren all die Gedanken jedoch müßig, denn nach diesem Besuch würde er ohnehin jahrelang nicht zurückkehren. Es hatte keinen Sinn, in die englische Heimat zu reisen und zuzusehen, wie seine ehemalige Frau dem blasierten Marquis ein Kind nach dem anderen schenkte, voller Liebe und Enthusiasmus im Ehebett gezeugt.
Nein, danke, da blieb er lieber in seinem griechischen Dorf. Dort war er zweifellos Herr seines Schicksals. Keine Ehefrauen in der Nähe, die sein Blut mit ihren unschuldig verführerischen Bemerkungen in Wallung brachten …
Es ist doch nur sinnliche Begierde, dachte Camden. Marissa und er hatten vor ein paar Jahren ihre gelangweilten Liebesaktivitäten eingestellt, und obwohl er sich hin und wieder an der Gesellschaft einer Frau erfreute, lag das letzte Mal Monate zurück. Nur deshalb hing er mit hündischen Blicken an den schlanken Hüften seiner Frau, deshalb bemerkte er ihre zarte Haut in der Ellbogenbeuge. Deshalb hatte er unbedingt darauf bestanden, den Benedikt zu spielen. Weil Benedikt nämlich Beatrice küsste, wenn ihn sein Gedächtnis nicht im Stich ließ …
Plötzlich musste Cam voller Ungeduld nachprüfen, ob er sich auch nicht irrte. Er hob das Büchlein wieder auf und begann in den Seiten zu blättern.
Es war ja nicht so, dass er tatsächlich seine eigene Frau verführen wollte, rechtfertigte er sich vor sich selbst. Oder dass er sich danach sehnte, sie zu küssen, wie ein Mann nun einmal seine Frau zu küssen pflegte. Es lag nur daran, dass sein sexuelles Verlangen etwas außer Kontrolle geraten war, weil er so lange enthaltsam gelebt hatte. Enthaltsamkeit war gar nicht gut für einen Mann. Es führte zu Wahnvorstellungen und unbezähmbarer Wollust. Und die Frau, die sein Verlangen hervorrief, war immerhin seine Frau. Wenn er also eine Frau küssen wollte, dann sollte er doch die küssen, die ihm eigentlich schon gehörte.
Und wieder schleuderte Cam das Buch zu Boden. Welchen Sinn hatte es, sich selbst zu belügen? Er wollte mehr von Gina. Er begehrte ihre Küsse, ihre weichen Lippen, ihre süßen Kurven, ihr seidiges Haar. Wie sie in seinen Armen dahingeschmolzen war, bevor ihr einfiel, wer er war, und wie sie ihn dann fortgestoßen hatte. Beim nächsten Mal … beim nächsten Mal würde sie wissen, wer er war und genau dort bleiben, wo sie hingehörte.
In seinen Armen.
Cam machte sich nicht die Mühe, herauszufinden, wie er zu diesem Schluss gelangt war. Männer waren eben so veranlagt, dass sie eher mit den Lenden als mit dem Kopf dachten, und auch er, Camden Serrard, der Herzog von Girton, war soeben dieser typisch männlichen Schwäche erlegen.
Edmund Rounton stellte fest, dass die Annullierung der herzoglichen Ehe ohne Weiteres zu bewerkstelligen war. Tatsächlich war er sogar ein wenig entsetzt ob der Mühelosigkeit des Verfahrens. Jeder, den er um Rat fragte, schien zu nicken und ihm beizupflichten, dass eine Annullierung die beste Lösung darstelle und sobald wie möglich durchgeführt werden sollte.
»Früher war es kompliziert«, bemerkte Howard Colvin, ein Anwaltskollege. Colvin war in England die führende Autorität für Annullierungen. »Ach, du liebes bisschen, was war das schwierig! Ich kann mich an den Fall der Herzogin von Hinton entsinnen. Ihr Mann war ein Blindgänger, konnte nicht mal gradeaus pissen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wir haben Monate gebraucht, um die Sache durchzufechten, und am Ende musste sie sich einer Jungfräulichkeitsuntersuchung unterziehen!« Er wirkte sehr empört. »Ist natürlich lange her. `89, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ich nehme an, diese besondere Überprüfung ist inzwischen abgeschafft?«
»Selbstredend. Heute sind wir humaner. Der Regent hat eine Vorliebe für Annullierungen. Er meint, dass sie den Skandal einer Scheidung umschiffen, und damit hat er natürlich recht. Letztes Jahr habe ich eine Annullierung für die Meade-Featherstonehaughs erwirkt. Haben Sie von der Sache gehört?«
Rounton schüttelte den Kopf.
»Wir haben uns auch bedeckt gehalten, und das aus gutem Grund«, erzählte Colvin. »Meade-Featherstonehaugh hatte
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