Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
hätte. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass er Däumchen und die Sache auf sich beruhen lassen würde. «Ich werde es auf jeden Fall Johan erzählen», sagte er. «Johan muss wissen, was Beatrice alles für Sofia getan hat.» Seth holte seine Taschenuhr hervor. «Und ich habe Henriksson aus Schweden herkommen lassen. Er wartet schon im Hotel auf mich. Kannst du ein Auge auf Beatrice haben, wenn ich mich heute Nachmittag mit ihm treffe? Er hat wichtige Informationen für mich.» Als er Beatrices schlanken Rücken betrachtete, konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken. «Es ist sicher übertrieben, aber ich will sie nicht unbeschützt lassen», sagte er. «Nicht, bevor ich weiß, wohin Edvard verschwunden ist.»
«Du wirst doch keine Dummheiten machen?», fragte Jacques misstrauisch. «Beatrice würde es nicht überleben, wenn dir etwas zustieße.»
«Wir reden morgen weiter», wich Seth der Frage aus. Er würde Henriksson bitten, Erkundigungen einziehen zu lassen. Bald würde er wissen, wo Edvard sich aufhielt. Was dann passierte … darum würde er sich später kümmern.
«Aber jetzt will meine Zukünftige gerne Stoffe ansehen. Und ich habe ihr versprochen, sie zu begleiten.» Er seufzte düster. «Das wird bestimmt mehrere Stunden in Anspruch nehmen.»
Jacques lachte auf. «Seth Hammerstaal bei der Schneiderin. Dich muss es ja schlimmer erwischt haben, als ich dachte.»
In einer kleinen Querstraße der Avenue des Champs-Élysées lag Mademoiselle Colette Colberts Atelier und Laden. Als die Türglocke klingelte, lächelte Colette der eintretenden Frau entgegen.
«Bonjour, Madame la Comtesse» , sagte Colette, während ihr Blick gleichzeitig auf den Mann fiel, der die Schwedin begleitete. Seine Kleidung war diskret, aber das geübte Auge der Schneiderin erkannte sofort, dass jedes Teil perfekt maßgeschneidert war. Da zeigte sich keine Falte an den breiten Schultern, die Passform am Rücken war ebenfalls tadellos, und überhaupt sah man die exquisite Qualität noch im kleinsten Stich. Er trug keine teuren Accessoires, keine Ringe oder protzige Schmuckstücke, und seine Krawatte war so schlicht, dass es fast an Anspruchslosigkeit grenzte. Doch für eine Expertin war trotzdem erkennbar, dass es sich hier um einen wirklich vermögenden Mann handelte. Seine Züge hatten etwas Strenges, fast Rücksichtsloses, doch als er die rothaarige Frau anlächelte, wurde sein Gesicht weich. Colette stellte fest, dass die Gräfin klug genug gewesen war, sich einen mächtigen Beschützer zuzulegen.
«Bonjour, Mademoiselle» , begrüßte der Mann sie mit einer samtig tiefen Stimme. Sie schauderte. «Wir sind hier, weil meine zukünftige Ehefrau ihr Brautkleid bestellen möchte», erklärte er. «Sie hat darauf bestanden, zu Ihnen zu kommen.»
Oh, là, là. Ehefrau, sieh mal einer an.
Zehn Minuten später waren Beatrice, Colette und eine weitere Schneiderin schon in ein konzentriertes Gespräch über Entwürfe und Materialien vertieft. Beatrice warf einen verstohlenen Blick zu Seth hinüber, der in einem Sessel saß und ganz ins Studium eines Dokuments versunken schien. Da blickte er auf und sah sie an. «Solltest du dir nicht auch gleich Kleider für den Herbst bestellen?», schlug er vor. «In Stockholm wird es viel kälter sein als hier.»
«Ich habe genug Kleider», protestierte sie.
Doch Seth tauschte einen beredten Blick mit Mademoiselle Colette, die diskret nickte. «Weißt du, chérie », lächelte er, «gegen unsere Expertenmeinung wirst du nicht ankommen. Komm, bestell dir auch eine Herbstgarderobe.» Dann vertiefte er sich wieder in seine Papiere.
Colette sah sie mit ihren nussbraunen Augen an, bis Beatrice nachgab. « Alors . Aber ich werde neu Maß nehmen müssen», meinte Colette. Mit kritischer Miene musterte die Schneiderin ihre Taille und Brust und bedeutete ihr dann, sich umzudrehen. Beatrice widerstand dem Impuls, unter diesem scharfen Blick den Bauch einzuziehen. «Hmm, Sie haben zugenommen», stellte Colette fest. Bei diesem Kommentar blickte Seth auf und grinste die blamierte Beatrice neckend an. Er ließ einen vielsagenden Blick über ihren Körper wandern und blieb sehnsüchtig an ihrem Busen hängen. Beatrice spürte, dass sie flammend rot wurde. Seth lachte leise.
«Raus aus den Kleidern», kommandierte Colette und zeigte auf einen Wandschirm.
Seth grinste erneut, und Beatrice warf ihm einen warnenden Blick zu. Sie starb fast vor Verlegenheit, und seine heißen Blicke machten sie ganz
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