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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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sie fragte sich, was dieser anstrengende Mensch ihr wohl diesmal vorzuwerfen hatte. «Wenn Sie entschuldigen wollen, meine Herren, aber Fräulein Beatrice und ich haben etwas zu besprechen», sagte er kühl, nachdem er sich einen Weg durch die Männer gebahnt hatte. Er sah sie auffordernd an.
    Beatrice stand auf, schob das Kinn vor und wandte sich an die Runde. «Jetzt wird er mir bestimmt die Leviten lesen, weil ich so respektlos von seinem Rennen geredet habe», sagte sie augenzwinkernd. Ein paar Männer brachen wieder in Gelächter aus.
    Seths Hand schloss sich um ihren Arm wie ein Eisenring. «Komm mit», sagte er.

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    12
    Das Letzte, was Beatrice wollte, war eine Szene, daher folgte sie Seth ohne Protest, als er sie hinter sich herzog.
    Sie hatte gedacht, dass er sie loslassen würde, sobald sie auf dem Flur waren, doch er hielt sie weiter fest, durchquerte mit langen Schritten eine Halle, bog um eine Ecke und noch eine weitere Ecke, bis sie schließlich völlig die Orientierung verloren hatte. Sie musste laufen, um mit ihm mithalten zu können, und dabei verfluchte sie das enggeschnürte Korsett und die unpraktischen Seidenschühchen, die für diese Art von Eilmärschen nicht gemacht waren. Und zwischendrin verfluchte sie ihn und seine unbegreiflichen Launen.
    «Wohin gehen wir?», fragte sie, ganz atemlos, vielleicht nicht nur von dem raschen Tempo. Sie warf einen verstohlenen Seitenblick auf sein Gesicht und stellte fest, dass es hart und verbissen aussah. «Wohin gehen wir bitte?», wiederholte sie in schärferem Ton. Sie sah nirgendwo mehr andere Gäste und fragte sich, ob sie sich nicht doch hätte weigern sollen, ihm zu folgen.
    Doch offenbar hatte Seth sein Ziel nun erreicht. Er öffnete eine massive Eichenholztür, schob sie hindurch und zog die Tür hinter ihnen zu. Sie standen in einem entschieden maskulinen Zimmer. Die Regale waren vollgestellt mit Büchern und Mappen, überall lagen Stapel mit irgendwelchen Papieren und Dokumenten, und mehrere Tintenfässer zeugten davon, dass hier oft jemand saß und schrieb. Die dunklen Ledermöbel glänzten, und sie nahm schwachen Zigarrenduft wahr. Ein paar Bilder mit kargen Naturmotiven und ein einziges Foto von einem ernsten jungen Christian verrieten ihr, dass es sich um Seths Arbeitszimmer handeln musste. Es fühlte sich so intim an, in seinem privaten Teil des Schlosses zu stehen, dass es ihr innerlich wehtat. Nichts sonst in dem prachtvollen Schloss Wadenstierna hatte sie bisher so berührt wie dieser zutiefst persönliche Raum.
    «Warum hast du mich hierhergeschleppt?»
    Sein Blick sah gefährlich aus, und sie fragte sich, ob sie wohl Angst haben sollte. Sie waren allein, keiner wusste, dass sie hier war, und er benahm sich sehr seltsam. Doch je länger er dastand und sie anstarrte, desto weniger Angst hatte sie, und umso gereizter wurde sie. Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte ihn für eifersüchtig gehalten.

    Seth bemühte sich, seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Je weiter er Beatrice vom Ballsaal weggeführt hatte, je weiter sie sich von den affigen Gecken entfernt hatten, die Anspruch auf sie erhoben, desto mehr drohte sein wahnsinniges, unvernünftiges, dummes Begehren ihn zu überwältigen. Sie in seinem Arbeitszimmer, in seiner ganz privaten Sphäre zu sehen war unerwartet schmerzlich. Das weiße Kleid, das sie schon zu Karins Abendgesellschaft getragen hatte, ließ sie im Dunkeln leuchten. Das Licht des kleinen Kaminfeuers wurde von ihrem Haar aufgenommen und verlieh ihm einen Glanz, der Seth direkt ins Herz traf. Sie war dünn, dünner als beim letzten Mal, aber ihre Brust war genauso rund wie früher. Er holte zitternd Luft und betrachtete sie. Und ihre verräterisch funkelnden Augen betrachteten ihn. So leicht konnte man sich in ihnen verlieren. Obwohl er genau wusste, wer sie war, hatte sie ihn doch wieder behext. Und egal, welche Entscheidungen Beatrice für ihre Zukunft getroffen hatte, bestand zwischen ihnen doch immer noch eine gewaltige Anziehungskraft. Er begriff nicht, wie sie das, was zwischen ihnen war, für einen Gräfinnentitel eintauschen konnte. Erkannte sie nicht, wie selten man das erlebte, was zwischen ihnen gewesen war? Oder war es ihr gleichgültig?
    Er machte einen Schritt auf sie zu, er konnte nicht anders. Langsam wich sie rückwärts aus, bis sie gegen den Schreibtisch stieß. Sein Griff war wie ein Schraubstock, seine Finger bohrten sich in ihre nackten Arme und spürten, wie sie

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