Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
in einer schmutzigen kleinen Affäre ihren Liebhaber abzugeben. Beim bloßen Gedanken daran, sie mit Rosenschöld zu teilen, wurde ihm übel. Von sich selbst angeekelt, zog er sich von ihr zurück, fuhr sich über die Augen und versuchte, die Kontrolle über sich zurückzugewinnen. Er fühlte sich plötzlich alt und desillusioniert.
Verwirrt schlug Beatrice die Augen auf. «Seth?»
Die Kälte und Verachtung, die sie in seinem Gesicht las, trafen sie wie ein Schlag.
«Bedeck dich», sagte er, während er sich eine aufgegangene Manschette zuknöpfte. «Ehrlich gesagt fängt die Sache an, mich zu langweilen. Vermutlich hätte Rosenschöld nichts dagegen, dich zu teilen. Aber ich ziehe es vor, meine Bettgenossinnen für mich allein zu haben.» Er zog seine Hose zurecht und schnipste ein unsichtbares Staubkörnchen weg. «Ich muss zurück zu meinen Gästen. Sieh zu, dass deine Bedürfnisse anderweitig befriedigt werden.» Er strich sich das Haar glatt.
Beatrice starrte ihn an, und er erwiderte ihren Blick mit verächtlich gekräuselter Oberlippe.
Der Zorn verlieh Beatrice eine Kraft, die sie nicht in sich vermutet hätte. Mit einem Ruck stand sie auf und sah ihm direkt in die Augen. Dann gab sie dem harten, schönen Gesicht eine Ohrfeige, die so heftig ausfiel, dass Seths Kopf zur Seite geschleudert wurde. «Du widerliches Ekel, ich hoffe, ich muss dich nie wiedersehen.» Sie hob die Hand zu einem weiteren Schlag, doch er packte sie am Handgelenk.
Beatrice funkelte ihn zornig an. Zu gern hätte sie noch ein zweites Mal zugeschlagen, doch dann ließ sie die Hand fallen. Es war ja ohnehin alles zwecklos.
Seth warf ihr einen letzten Blick zu, bevor er sich umdrehte, ging aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
Beatrice blieb allein zurück und starrte auf den immer noch bebenden Türrahmen.
Sie brauchte fast eine halbe Stunde, um sich so weit zu beruhigen, dass sie Seths Arbeitszimmer verlassen konnte. Benommen richtete sie ihr Haar, steckte die Locken wieder hoch, wusch sich mit ein wenig Wasser aus einer Karaffe und glättete ihr Kleid. Als sie zitternd versuchte, ihre Handschuhe hochzuziehen, entdeckte sie, dass mehrere Knöpfe abgerissen waren, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Seth hatte sie angesehen, als wäre sie der widerlichste Mensch auf Erden. Sie langweile ihn, hatte er gesagt. Sie wollte nur noch davonlaufen und ihn niemals wiedersehen.
Nachdem sie sich noch einmal über Frisur und Kleid gestrichen hatte, machte sie sich auf den Weg zurück zum Ballsaal, wenn auch in wesentlich schlechterer Verfassung, als ihr lieb war. In ihrem Kopf hämmerte es immer stärker, und hinter ihrem Zorn drohte wieder die altbekannte Verzweiflung aufzusteigen und sie zu übermannen. Doch sie versuchte sich ihre Wut zu bewahren. Etwas anderes blieb ihr auch kaum übrig.
*
Um zehn Uhr war es so weit. Erwartungsvoll versammelten sich alle Gäste im Ballsaal. Beatrice sah sich um. Niemand schien ihre Abwesenheit bemerkt zu haben. Juliana stand neben Seth, dem sie die Hand auf den Arm gelegt hatte, und er sah ganz so aus wie immer.
Beatrice hielt sich am Rand. Als sie einem der Männer zulächelte, der vorhin mit ihr geschäkert hatte, lächelte er zurück. Ein anderer winkte ihr, und sie bemühte sich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, obwohl sie sich so schmutzig und geschändet fühlte. Auf der anderen Seite des Raumes sah sie Olav Erlingsen, der ihr fröhlich zuwinkte. Ein Stückchen weiter weg stand Edvard, der sich gerade mit Johans Schwestern unterhielt.
In all ihrem Elend musste Beatrice doch lächeln, als sie Sofia hereinkommen sah. In ihrem hellblauen Kleid, das mit weißen und gelben Blüten verziert war, sah ihre Cousine einfach bezaubernd aus. Johan nahm ihre Hand und sah aus, als wäre er der glücklichste Mann der Welt.
Ludvig Stjerneskanz räusperte sich, und das Stimmengewirr im Saal verstummte. «Liebe Freunde», begann er und lächelte breit. «Mein Sohn hatte Verstand genug, diese bezaubernde Frau um ihre Hand zu bitten, und wir alle sind froh und stolz, dass sie Ja gesagt hat. Liebe Sofia, willkommen in unserer Familie.»
Die Gäste applaudierten und hoben ihre Gläser auf das Wohl des Paares. Johan strahlte über das ganze Gesicht. Seine Schwestern und ein paar andere Damen mussten sich die Tränen aus den Augenwinkeln tupfen.
Ludvig sah Wilhelm an. «Möchten Sie vielleicht auch noch ein paar Worte sagen?»
«Ja, danke.» Wilhelm trat ein paar Schritte vor, und die Blicke
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