Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
ihn anziehen konnte. Während ihm der Mann die Krawatte band, warf der Graf einen letzten Blick in den Spiegel. Edvard ist ganz schön unvorsichtig, dachte er. Vielleicht ist er manches Mal sogar noch schlimmer als ich. Doch obwohl der junge Mann zu unbesonnenen Handlungen neigte, war er doch eine unterhaltsame Gesellschaft. Der Graf beschloss, Edvard eine Botschaft zu schicken und ihm ein Treffen im Stockholmer Bordell vorzuschlagen. Da gab es doch sicher eine neue Hure, die sie zusammen probereiten konnten.
«Ich muss heute Stoffe aussuchen», sagte Sofia und zog den Bauch ein, als ihre Zofe ihr Korsett zu schnüren begann. Beatrice verfolgte die umständliche Prozedur, bei der Sofia vorne die Metallösen zuknöpfte, während das Dienstmädchen von hinten schnürte. Beatrice selbst hatte erst ernsthaft angefangen, Korsetts zu tragen, als ihr Vater gestorben war, und sie war nach wie vor fasziniert von Sofias Wespentaille.
«Du kommst doch mit, oder?», fragte Sofia.
Beatrice schüttelte den Kopf. Sie war schon fertig angezogen und saß auf dem Bett des Zimmers, das sich die Cousinen teilten. Sie zupfte an ihrem grauen Vormittagskleid herum. Es hat bereits begonnen, dachte sie bekümmert. Sofia und sie beschäftigten sich jetzt mit verschiedenen Dingen. Früher hatten sie alles zusammen gemacht, doch seit der Verlobung wurde Sofias Zeit immer mehr von neuen Menschen und Erfahrungen beansprucht, während Beatrices Leben nur noch aus passivem Warten bestand. «Der Graf triff sich heute mit Onkel Wilhelm», erklärte sie. «Ich muss auch dabei sein. Aber danach komme ich.»
«Danke, Lise, den Rest schaffe ich selbst», sagte Sofia zu ihrem Dienstmädchen. Sie wartete, bis sich die Tür hinter dem Mädchen geschlossen hatte, dann wandte sie sich an Beatrice. «Ich muss dich einfach fragen. Es ist auch das letzte Mal, versprochen.»
Beatrice hatte gehofft, dass sie die Fragen zu ihrer Verlobung endlich hinter sich hätte, doch sie verstand, dass Sofia sich sorgte. Sie wusste ja selbst, dass sie sich verändert hatte. Sie konnte nur noch selten lächeln oder lachen und war alles andere als eine erwartungsvolle junge Braut.
«Ich weiß, es geht mich nichts an», begann Sofia zögerlich. Sie setzte sich aufs Bett und ergriff Beatrices Hände. «Aber ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum du Graf Rosenschöld gewählt hast. Magst du ihn denn wirklich? Er ist so … so …»
Alt? Kalt? Gemein?
«Ich dachte einfach, dass ich die Chance nutzen muss, meine Liebe.» Beatrice lächelte schwach.
«Aber Bea, du bist doch gerade mal achtzehn! Du hast noch das ganze Leben vor dir», rief Sofia.
In Beatrices Kopf begann es dumpf zu pochen. Sie wollte nicht über diese Sache sprechen. Sie wollte wirklich nicht daran denken, dass sie gleich in den Salon gehen und gezwungenermaßen dem Mann entgegentreten musste, dem in Bälde ihr Körper und ihre Seele gehören würden.
«Mama war siebzehn, als sie Papa heiratete», erwiderte sie. «Du bist siebzehn und wirst Johan heiraten. Ich bin nicht so schön wie du, und ich habe kein Geld. Ich will keine alte Jungfer werden und auf Kosten deines Vaters leben. Er war mehr als großzügig zu mir, aber ich kann nicht verlangen, dass er mich ein Leben lang versorgt. Ich will ihm wirklich nicht zur Last werden, das musst du verstehen.» Sanft sah sie Sofia ins Gesicht. Zumindest dieser Teil entspricht der Wahrheit, dachte sie. Sie hatte eingesehen, dass sie von Wilhelm fortmusste. Sobald Sofia ausgegangen wäre, würde die Situation endgültig unerträglich werden. Sie wollte nicht unter dem Dach mit einem Mann leben müssen, der sie hasste. Viele Frauen leben in lieblosen Ehen, dachte sie, sie nehmen eben, was sie bekommen. Und sie hatte eigentlich auch nichts dagegen. Bestimmt konnten Sofia und sie sich auch noch treffen, wenn sie verheiratet waren. Vielleicht würde das Leben ja gar nicht so furchtbar grässlich werden. «Und ich will Kinder», schloss sie.
Sofia zog ihre Hände zurück und legte sie in den Schoß. In ihrem blauen Kleid und mit dem glücklichen Schimmer, der sie in letzter Zeit umgab, sah sie aus wie eine blonde Madonna. Aus ihrer Hochsteckfrisur hatten sich kurze flaumige Haare gelöst. Die Liebe stand ihr, und Beatrice liebte ihre Cousine so verzweifelt.
Sofia sah sie ernst an. «Entschuldige, Bea, aber ich muss es dich fragen. Was ist mit Herrn Hammerstaal?»
Beatrice schnappte nach Luft. Seltsam, dass es immer noch so wehtat, seinen Namen zu hören. «Herr
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