Ein unmoralischer Handel
unerlässlich.
»Ich muss mich wieder mit ihm treffen.« Stirnrunzelnd trommelte sie mit den Fingern auf der Frisierkommode. Wenn sie eine Zusammenkunft arrangieren könnte, wo es schlicht an Möglichkeiten fehlte und er sie einfach überhaupt nicht herausfordern konnte, dann wäre sie sicher.
»Ein Brief für Sie, Mylord - ehm, Sir.« Schwungvoll platzierte Chance das Silbertablett, das er für alle Fälle mitgenommen hatte, zu Gabriels Rechten auf dem Frühstückstisch.
»Danke dir, Chance.« Er stellte seine Kaffeetasse beiseite, nahm das gefaltete Blatt aus schwerem Pergament zur Hand und hielt nach dem Brieföffner Ausschau.
»Oh - ah!« Chance zappelte herum und durchsuchte hektisch seine Taschen.
»Hier.« Er fuchtelte bedrohlich mit einem rostigen Taschenmesser herum. »Ich mach’s schon.«
»Danke, Chance. Ist in Ordnung.« Gabriel behielt den Brief in der Hand. »Ich komme schon zurecht.«
»Aye, aye, Sir.« Er nahm das Tablett wieder auf und ging davon.
Gabriel brach das Siegel mit seinem Daumennagel. Mit zusammengepressten Lippen öffnete er den Brief.
Er hatte die letzten vier Tage darauf gewartet. Er war mehr als nur betrübt gewesen, weil die Gräfin so lange gebraucht hatte, um ihn zu einem weiteren Treffen einzubestellen. Dieses Zögern hatte sich wie ein Schatten auf seine Erinnerungen gelegt und warf ein schlechtes Licht auf seine Fähigkeiten als Liebhaber. Zumindest war der Brief jetzt aber endlich eingetroffen.
Er überflog die wenigen Zeilen und rollte dann mit den Augen. Eine Kutsche?
Er seufzte. In Ordnung, sie war noch Jungfrau gewesen, was konnte er also groß erwarten? Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wie man ein Rendezvous arrangiert.
11
E s war eine mondlose Nacht. Der Wind rauschte und seufzte in den Bäumen, die den Fahrweg in der Nähe des Stanhope Gate säumten. Während er ungeduldig in den Schatten wartete, unterdrückte Gabriel das Bedürfnis, den Kopf zu schütteln.
Mitternacht am Stanhope Gate war im Vergleich zu drei Uhr morgens im Portikus von St. George nur eine geringfügige Steigerung. Die Gräfin hatte wohl zu viele Schauerromane gelesen. Dieses Mal hatte sie allerdings vergessen, dass die Tore zum Park bei Sonnenuntergang verschlossen wurden - oder sie hatte sich darauf verlassen, dass er seine besonderen Talente an dem Vorhängeschloss spielen ließ, welches das schmiedeeiserne Tor sicherte. Das hatte er nun also getan und die Tore weit offen stehen lassen. Es kam schließlich immer mal vor, dass ein Tor übersehen wurde.
Zumindest gab es heute Nacht keinen Nebel, nur Schatten, die sich über die Parklandschaft legten und mit dem Wind hin- und herwanderten. Es war gerade hell genug, um überhaupt etwas erkennen zu können, um Umrisse auszumachen - aber keine Einzelheiten.
In der Ferne schlug eine Glocke, der erste Ton im mitternächtlichen Chor. Er lauschte, als die anderen Glockentürme einstimmten, dann war der Moment vorbei und die letzten Töne verklangen in der lastenden Stille der Nacht.
Das Rattern von Kutschenrädern kündigte ihm das Ende seines Wartens an. Es waren zwar eine Menge Kutschen rund um Mayfair unterwegs, doch sie waren zu weit entfernt, als dass er ihnen Beachtung hätte schenken müssen. Das stetige Rattern wurde lauter, untermalt vom Klappern der Pferdehufe, dann rollte die kleine schwarze Kutsche ohne Licht zwischen den Torpfosten hindurch in den düsteren Park.
Gabriel trat auf den Seitenstreifen hinaus. Der Kutscher lenkte seine Pferde auf ihn zu, die Kutsche wurde langsamer und hielt an. Gabriel öffnete den Schlag und kletterte in eine Dunkelheit hinein, die noch undurchdringlicher war als die im Schlafzimmer des Burlington.
Er setzte sich, fühlte das Leder unter sich und spürte ihre warme Präsenz neben sich.
»Mr Cynster«, sagte sie betont förmlich.
Gabriel grinste in die Dunkelheit: »Gräfin.«
Sie rang nach Atem, als sie plötzlich auf seinem Schoß landete. Seine Finger brauchten nur einen Augenblick, um ihren Schleier ausfindig zu machen, und dann lagen seine Lippen bereits auf den ihren.
Es war ein sengender Kuss - dafür sorgte er. Ein Kuss, der ihr den Verstand rauben und ihr die Sinne zum Schwirren bringen sollte. Ein Kuss, um ihr Feuer zu entfachen - und das seine nicht minder.
Ihre Lippen wurden im gleichen Augenblick sanft, wie seine fest wurden, sie öffneten sich, sobald er ihre Umrisse ertastet hatte. Sie schmolz in seinen Armen dahin als er heftiger wurde. Er wandte seinen Kopf nicht ab, bevor
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