Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
lange fi … äh stricken. Und jetzt, wo ich praktisch arbeitslos bin, könnte ich es erst recht gut gebrauchen.«
»Aber – es wäre doch … unmoralisch!«, sagte ich raffiniert.
»Unmoralisch?«, wiederholte Evelyn. »Das ist aber nun wirklich Interpretationssache. Wir täten ja nichts Ungesetzliches.«
»Nicht?«, fragte ich und fühlte mich irgendwie erleichtert.
»Natürlich nicht, oder kennst du ein Gesetz, das einem das verbietet?«
»Äh – puh«, machte ich. »Darüber müsste ich wohl noch ein Weilchen reüssieren …«
Jetzt dämmerte es Evelyn. Dumm war sie ja nicht. »Stephan hat’s dir gar nicht gesagt, was?«
Ich schüttelte beschämt den Kopf.
»Dieser Feigling«, sagte Evelyn und sah sich um. »Wo ist er?«
»Im Büro. Er kann uns nicht hören.«
»Also, dann hör mir mal zu: Fritz möchte jedem seiner Söhne eine Million Euro geben, wenn sie für ein halbes Jahr ihre Frauen tauschen.«
»Was?«, rief ich aus. Es klang simpel und kompliziert zugleich. Und völlig verrückt. »Wie soll denn das gehen?«
»Ganz einfach: Du würdest für sechs Monate zu Oliverin unsere Wohnung ziehen, und ich würde so lange hier bei Stephan in eurer Bruchbude hausen. Das ist alles.«
»Ja, aber … – was soll das Ganze denn? Ich meine, was hat Fritz davon?«
»Ein gutes Gefühl«, sagte Evelyn.
»Das ist doch völlig bescheuert! Oliver und Stephan haben Recht, der Mann müsste entmündigt werden. Er weiß nicht, was er sagt.«
»Er ist nun mal der Meinung, dass seine Söhne die falschen Frauen geheiratet haben.«
»Und er meint, andersherum passten wir besser zueinander?« Brad Pitt zu Jennifer Aniston, Blumenkohl zu Blumenkohl – natürlich! Warum musste denn alle Welt die Menschen nur nach Äußerlichkeiten beurteilen?
Evelyn ließ lässig ihre Beine baumeln. »Offenbar. Er glaubt nun mal, dass wir schuld daran sind, dass seine Söhne weder eine Karriere noch Kinder vorzuweisen haben.«
»Aber das ist doch nicht meine Schuld«, protestierte ich. »Außerdem, wenn ich dem einen Sohn keine Karriere verschaffe, wie sollte ich das dann für den anderen bewerkstelligen?«
»Das spielt doch keine Rolle!« Evelyn machte ein ungeduldiges Zahnschmerzengesicht. »Es geht hier um irgendein subtiles Machtspielchen, bei dem Fritz beweisen will, dass seine Söhne immer noch machen, was er sagt.«
»Für eine Million Euro«, sagte ich verächtlich.
»Für eine Million Euro«, bestätigte Evelyn. »Das ist es Fritz wohl wert. Wahrscheinlich ist es eine Wette.«
»Mit wem denn?«
»Weiß ich doch nicht.« Evelyn schlug elegant die Beine übereinander. »Aber wenn wir nicht mitmachen, hat erverloren. Und das wollen wir doch nicht, oder? Er ist immerhin unser lieber Schwiegerpapa.«
»Aber wenn er verliert, kann er doch seine Million behalten!«
»Zwei Millionen. Jeder bekäme schließlich eine.«
»Umso schlimmer! Wenn es sich wirklich um eine Wette handelt, dann ist Fritz wahrscheinlich heilfroh, wenn er verliert.«
Evelyn war anderer Meinung. »Oh nein! Der Mann bekommt doch schon einen Tobsuchtsanfall, wenn er beim Mensch-ärgere-dich-nicht gegen seine Enkelkinder verliert!«
»Ja, aber er bekommt auch einen Tobsuchtsanfall, wenn die bei Aldi die Preise um zwei Cent erhöhen. Ich wage gar nicht daran zu denken, wie das erst bei zwei Millionen wäre.«
»Wer weiß denn, wie hoch der Wetteinsatz ist?«, sagte Evelyn. »Am Ende macht der Alte wahrscheinlich noch ein gutes Geschäft – so oder so!«
Mir war mittlerweile ganz schwindelig.
»Alles Blödsinn!«, rief ich aus. »Wer sollte bei so was mitmachen? Niemand hat irgendetwas davon! Kinder und Karriere haben Stephan und Oliver doch auch dann nicht vorzuweisen, wenn sie die Frauen tauschen! Das macht alles keinen Sinn.«
»Das kann uns aber doch egal sein«, hielt Evelyn dagegen. »
Wir
hätten definitiv was davon – und wir wollen doch nur das Geld, oder?«
»
Nur
ist gut«, sagte ich.
»Sieh es doch mal ganz pragmatisch: Die Hälfte davon gehört uns«, sagte Evelyn. »Dir und mir. Fünfhunderttausend Euro für jede von uns.«
Fünfhunderttausend Euro. Ich starrte zu den Erdkrumen auf meinen Schuhen herab. Vor meinem inneren Auge sah ich lange Reihen prächtiger Obstbäumchen historischer Apfel- und Birnensorten, Buchskugeln und -kegel, Englische Rosen neben gefülltem Rittersporn und Lavendel auf vierzehntausend Quadratmetern kultivierten Landes. Ich sah zahllose Kunden, die sich durch die renovierten Gewächshäuser schoben und
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