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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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Familienmausoleum.
    Anfang des vorigen Jahrhunderts im Stile Palladios erbaut, stand das runde Bauwerk in einiger Entfernung zum Haus auf einer Anhöhe, jenseits der kleinen Brücke, die sich über den etwa zur selben Zeit angelegten Flusslauf erstreckte.
    Zwei Stunden nachdem sie Matlock Bath verlassen hatte, stand Mirabel nun hier und sog den Anblick in sich auf, dessen Schönheit ihr stets ein gewisses Maß an innerem Frieden zu geben vermochte, ganz gleich, wie trostlos und durcheinander ihr Leben auch sonst gerade zu sein schien.
    „Oh Mama, was um alles in der Welt soll ich nur tun?“, fragte sie verzweifelt.
    Keine Antwort ließ sich vernehmen. Mirabel hatte auch gar keine Antwort erwartet. Sie hatte eigentlich nur deswegen laut gesprochen, weil unter den Lebenden niemand war, dem sie ihr Herz hätte ausschütten können.
    Sie lief von einer Säule zur nächsten, während sie ihrer Mutter - und auch allen anderen interessierten Ahnen - von den Ereignissen der letzten Wochen erzählte.
    Der frische Märzenwind wehte heute recht kräftig, und wie er so heulend und klagend durch den Säulengang pfiff, schluckte er leicht ihre Stimme - ebenso wie den Hufschlag, der von der Brücke herüberklang.
    Einmal war es Mirabel, als würde sie aus der Ferne schwach ein Wiehern vernehmen, doch der Wind schluckte auch dies rasch wieder, und so nahm sie an, dass es nur Sophy gewesen war, die wieder eine ihrer Launen hatte. Heute hatte die Stute einen plötzlichen Widerwillen gegen die Brücke an den Tag gelegt und sich geweigert, sie zu überqueren. Als Mirabel sie dennoch hinübergetrieben hatte, widersetzte Sophy sich jedoch standhaft, ihre Herrin auch noch zum Mausoleum hinaufzutragen.
    Hin und wieder überkamen Sophy derart unerklärliche Abneigungen, und da Mirabel nicht in der Stimmung war, sich auf ein Kräftemessen mit einem Tier einzulassen, das ihr an Größe und Gewicht um ein Vielfaches überlegen war, gab sie schließlich nach. Sie band die Stute nahe der Brücke an und ging den Rest des Weges zu Fuß.
    Im Moment stand sie an der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes und schaute in jene Richtung, wo Lord Gordmors Kanal schon bald die Landschaft durchschneiden würde. Folglich sah sie auch nicht den hochgewachsenen Mann, der just in diesem Augenblick aus dem Sattel stieg, sein Pferd neben Sophy festmachte und dann entschlossen den Hügel hinaufgehumpelt kam.
    Mirabel blickte noch immer missmutig auf den unsichtbaren Kanal, als sie Schritte auf dem steinernen Boden vernahm. Sie wandte sich um und spürte sogleich, wie ihr das Herz fast schmerzhaft im Leibe hüpfte.
    Unwillkürlich hob sie ihr Kinn und setzte ihre eisigste und hochmütigste Miene auf. „Mr. Carsington“, grüßte sie knapp.
    „Sie böses, böses Mädchen!“, erwiderte er.
    Seine goldbraunen Augen funkelten, und seine Wangen waren leicht gerötet. Die Luft schien mit einem Mal von Spannung aufgeladen zu sein und knisterte gar so, als ob sich ganz in der Nähe ein Unwetter zusammenbraute.
    Er war das Unwetter, und was sie spürte, so wusste Mirabel, war seine Verärgerung - die gewaltig sein musste. Sie vermochte sie ebenso zu spüren wie andermals seinen unbändigen Charme, der selbst erfahrene Kurtisanen dazu brachte, sich hoffnungslos in ihn zu verlieben. Am liebsten wäre sie rasch einige Schritte zurückgetreten, um der Anziehung seiner Ausstrahlung zu entkommen, aber ihr Stolz erlaubte ihr nicht zurückzuweichen.
    Stattdessen hob sie das Kinn noch ein wenig höher. „Es ist mir ganz einerlei, was Sie von mir denken“, verkündete sie. „Sie sind mir einerlei. Sie bedeuten mir nichts.“
    „Was für eine schlechte Lügnerin Sie doch sind.“ Er kam auf sie zu.
    Sie war ein wenig zu langsam, und noch bevor sie ihm ausweichen konnte, hatte er sie auch schon bei den Schultern gefasst und zog sie in seine Arme. Sie sträubte sich gegen ihn und senkte den Kopf. Wenn er sie küsste, wäre es um sie geschehen.
    Aber er küsste sie nicht. Er drückte sie nur an sich und hielt sie fest, während er in ihren Hut brummte: „Woodfrey ist ein Quacksalber, nicht wahr? Ich schlafwandele und führe Selbstgespräche, ist es nicht so? Ich sollte von Ärzten untersucht werden, die mit Krankheiten des Geistes vertraut sind - das sollte ich doch, oder? Und Sie hätten Bedenken, Ihre Geschäfte in den Händen eines Mannes zu belassen, dessen Verstand derart durcheinander ist. Oh ja, gewiss hätten Sie das. Aber Sie haben ja indes Bedenken, Ihre

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