Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
mehr Angst bereitete: die Uhrzeit oder der Umstand, dass sie ausdrücklich nach ihm fragte.
Beides war ungewöhnlich.
Er schaute nachdenklich auf die geprägte Karte und wies den Butler an, Ihre Gnaden in den Salon zu führen. Dann klingelte er nach seinem Kammerdiener, um sich beim Binden der Krawatte helfen zu lassen. Gewöhnlich setzte er sich in bequemer Kleidung an seinen Schreibtisch, besonders zu so früher Stunde.
Was zum Teufel kann sie von mir wollen?
In dem Moment, als er den Raum betrat und sich formvollendet vor ihr verneigte, fragte seine Besucherin, die sehr aufrecht und fast ein bisschen steif auf einem Brokatsofa saß, sogleich: »Dann stimmt es also?«
Eine Frage, die alles oder nichts sagte.
»Bevor ich nachhake, was genau Ihr damit meint, sollte ich Euch eine Erfrischung anbieten«, erwiderte er kühl. »Möchtet Ihr etwas? Tee, Kaffee …«
»Hört schon auf, so unerträglich nett zu sein, Stockton. Schaut mal auf die Uhr. Ich habe gerade erst gefrühstückt. Und ich wünsche zu wissen, ob Ihr allen Ernstes Vivian Lacrosse heiraten werdet.«
Das Gerücht hatte offenbar schnell die Runde gemacht. Nun ja, die Diener in den herrschaftlichen Londoner Residenzen kannten einander, hinzu kam die gestrige Ausfahrt im Park. Er war also nicht sonderlich überrascht, dass die Geschichte bereits publik war, jedoch umso neugieriger, warum das diese alte Kupplerin interessierte.
»Es sieht ganz so aus, Euer Gnaden. Ich habe um ihre Hand angehalten, und sie hat angenommen.«
»Hm.« Eugenia Francis, eine einflussreiche Lady, spitzte den Mund und nickte. Ihre eisgrauen Löckchen unter dem Hut wippten im Takt dazu. Sie musterte Lucien, als betrachte sie ein Exemplar aus einer Kuriositätensammlung, etwa ein Schwein mit zwei Köpfen, das kürzlich auf der Landwirtschaftsausstellung gezeigt worden war. »Eine gute Wahl von Euch. Euer Vater muss sehr erfreut sein.«
Alles hatte Lucien erwartet, nur diese Zustimmung nicht. Und das machte den Besuch schlagartig interessanter.
»Ich bin erfreut über Eure Zustimmung«, sagte er vorsichtig und überlegte, ob er ihr einen Brandy anbieten sollte. Nein, dafür war es entschieden zu früh, dachte er und schaute bedauernd zum Sideboard, wo die Flaschen standen.
»Sie gehört nicht zu den flatterhaften jungen Damen.«
»Gott sei Dank.«
»Und sie kichert nicht ständig wie ein Backfisch … So etwas ist mir erst recht ein Graus.« Die Duchess verzog den Mund.
Amüsiert betrachtete Lucien seine Besucherin. »In dieser Hinsicht stimmen wir völlig überein, Euer Gnaden, und einer solchen Frau hätte ich nie einen Antrag gemacht. Darf ich fragen, woher Ihr Vivian so gut kennt?«
Sie schaute ihn offen an. »Im Grunde genommen kenne ich sie bloß wenig. Aber wie allgemein bekannt ist, protegiere ich die eine oder andere junge Lady, sofern ich sie meiner Aufmerksamkeit für wert halte. In der letzten Saison war das eine Freundin von Miss Lacrosse, und in diesem Zusammenhang ist sie mir aufgefallen. Ehrlich gesagt, plante ich bereits, ihre Angelegenheit in die Hand zu nehmen. Nun ja, etwas Besseres hätte ich für sie wohl kaum arrangieren können.«
»Ich fühle mich geschmeichelt«, sagte er ironisch.
»Sie ist sehr hübsch, obwohl sie ständig im Dreck wühlt und sich ungeschickt kleidet.«
»Das ist mir ebenfalls nicht entgangen.« Er nahm es der alten Dame nicht übel, dass sie von Vivians ungewöhnlichem Hobby wenig zu halten schien. Das war nicht anders zu erwarten gewesen, aber zumindest meinte sie es nicht böse.
»Euer Vater frönt ja der gleichen Passion. Ich kenne ihn seit vielen Jahren.«
»Ich weiß, er hat das mehrfach erwähnt.«
»Pflanzen.« Sie verzog verächtlich das Gesicht. »Ich sehe nicht, welchen Reiz das Grünzeug haben sollte. Wenigstens schadet es nicht.«
»Eigentlich sind Pflanzen sehr nützlich«, bemerkte er. »Wo stünden wir ohne?«
Die Herzoginwitwe schien Pflanzen für kein lohnenswertes Gesprächsthema zu halten und kam auf das zurück, was ihr am Herzen lag: das Arrangieren von Beziehungen. Sie deutete mit dem Zeigefinger auf Lucien. »Ihr oder vielmehr Eure Braut braucht mich.«
Da er nach wie vor keine Ahnung hatte, worauf sie hinauswollte, entschied Lucien sich für eine diplomatische Antwort. »Vielleicht solltet Ihr das näher ausführen, Euer Gnaden.«
»Euch ist sicher nicht entgangen, dass ihre Mutter sie in abscheuliche Kleider steckt, die einer Großmutter besser zu Gesicht stünden als einer schönen jungen
Weitere Kostenlose Bücher