Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
die Fesseln zeigten ihm, dass es nicht vorbei war.
Aber was wollten die Ganoven bloß von ihm?
Lucien hatte nicht die geringste Ahnung. Vergeblich versuchte er zu rufen, denn seine ausgedörrte Kehle streikte. Außer krächzenden, erstickten Lauten brachte er nichts hervor. Über seinem Kopf meinte er Geräusche zu hören, was an seiner Situation nichts änderte.
Nur Dunkelheit.
Und Kälte.
Er zitterte, zumal man ihm seinen Mantel abgenommen hatte. So lag er trübsinnig da, dachte an Vivian, an ihr Lächeln, ihre Berührungen, ihre Hingabe. Daran, wie sie sich gleichermaßen leidenschaftlich und zärtlich liebten. Und wie sie ihm mit ihrem ebenso unschuldigen wie entschlossenen Verlangen ein Geschenk gemacht hatte, das ihn überwältigte. Weil so etwas nicht zu erwarten gewesen war.
Hätte er sie heute nicht ins Theater begleiten sollen? Das Schiff rollte stärker, und seine Schmerzen wurden schlimmer, erschwerten das Denken. Er stöhnte. Ja, sie wollten ins Theater. Gemeinsam mit ihren Eltern.
Verdammt.
Zumindest würde seine Abwesenheit schnell bemerkt. Und bestimmt benachrichtigte Vivian umgehend Charles und den Duke und würde sich bei seinem Sekretär und seiner Haushälterin erkundigen. Alle würden wissen, dass da etwas nicht stimmte, und Himmel und Hölle in Bewegung setzen.
Dieser Gedanke war immerhin ein bisschen tröstlich, und so schloss er erschöpft die Augen und ließ sich aufs Neue von der Dunkelheit umfangen.
Dass die Duchess of Eddington ausgerechnet jetzt einen kleinen Empfang anlässlich ihrer Verlobung organisiert hatte, war unter den gegebenen Umständen als ausgesprochen ungünstig zu bezeichnen.
Fast zwei Tage waren vergangen, und von Lucien fehlte weiterhin jede Spur.
Wo steckte er nur?
Vivian wusste nicht, wie sie auf die neugierigen Fragen der Besucherinnen antworten sollte.
»Eure Mutter sagte, Stockton wollte die Familie ins Theater begleiten«, sagte eine der Damen, und in ihrem Blick lag etwas Lauerndes. »Unsere Loge liegt direkt gegenüber, und ich fürchte, ich habe Euch nicht gesehen.«
Was war wohl schlimmer, überlegte Vivian. Wenn jeder wusste, dass Lucien einfach nicht aufgetaucht war? Oder wenn sie sich in nebulösen Andeutungen erging und unglaubwürdige Ausreden erfand?
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich weiß leider nicht, was ihm dazwischengekommen ist, aber es war offenbar wichtig. Wie war denn die Vorstellung?«
Lady Kreystone, nicht unbedingt für ihr Taktgefühl berühmt, musterte Vivian auf beinahe beleidigende Art und Weise. »Das Schauspiel war nur mittelmäßig. Wenn Ihr mir verzeiht, dass ich das so sage … Ihr seid schon ein sehr ungewöhnliches Paar.«
Vivian war zwar an verächtliche Bemerkungen gewöhnt, jedoch nicht länger bereit, sie einfach hinzunehmen. Entschlossen reckte sie das Kinn und erwiderte offen den Blick der impertinenten Lady.
»Lord Stockton und ich? Wie kommt Ihr darauf?«, sagte sie mit unverkennbarer Missbilligung in der Stimme.
»Ja, Esther. Warum denkt Ihr das?« Die Duchess trug wie gewohnt schlichtes Grau und schaffte es, ebenfalls wie gewohnt, gleichermaßen herablassend und fragend zu klingen.
Im Salon wurde es mucksmäuschenstill, alle Gespräche verstummten schlagartig.
Vivian verfolgte die Szene mit Belustigung und Schadenfreude. Sie begann die schrullige Herzoginwitwe immer mehr zu mögen.
»Nun ja«, brachte die Countess stammelnd hervor. »Wie soll ich es sagen: Stockton ist irgendwie so … modern.«
»Vielleicht sollten wir über Erfreulicheres reden«, befand die Duchess. »Sieht Miss Lacrosse in ihrem Kleid nicht ausgesprochen hübsch aus? Madame Gardon hat es entworfen, und natürlich war ich zugegen«, fügte sie fast drohend hinzu, um etwaige Kritik gleich im Keim zu ersticken.
Mit Erfolg, denn Lady Kreystone war in der Tat die Lust vergangen, weitere spitze Pfeile aufVivian abzuschießen, und murmelte vage: »Ach, tatsächlich? Ja, ja, wirklich hübsch.«
Vivian hingegen war wild entschlossen, ihren Triumph auszukosten und die feinen Damen direkt auf ihr Hobby anzusprechen. Keine würde es wagen, in dieser Situation die Nase darüber zu rümpfen.
»Ich bin Ihrer Gnaden sehr zu Dank verpflichtet, weil ich selbst zu viel Zeit mit meinen Pflanzen verbracht habe, um modisch auf dem Laufenden zu sein«, erklärte sie fröhlich.
Lady Kreystone verzog erwartungsgemäß das Gesicht, bevor sie mit säuerlicher Miene einlenkte. »Ich nehme an, es gibt schlimmere Hobbys.«
»Sexuelle
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