Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Strand, nahm nichts um sich herum wahr, watete ins Wasser.
Dann schloss er die Augen, sprach ein letztes Gebet und begann zu schwimmen.
Vivian kämpfte mit sich, ob es angebracht war, Ihre Gnaden, die Herzoginwitwe, so ohne Weiteres und unaufgefordert aufzusuchen. Andererseits war ihr im Augenblick kaum etwas so gleichgültig wie die sogenannten guten Sitten. Wohlweislich hatte sie ihren Eltern nichts von ihrem Vorhaben erzählt.
»Ihre Gnaden empfängt Euch, Miss Lacrosse.« Der Butler verhehlte seine Überraschung nicht. »Bitte folgt mir.«
»Vielen Dank.«
So selbstbewusst wie möglich ging sie mit ihm nach oben zu den privaten Gemächern, wo die Duchess sie in ihrem kleinen Salon begrüßte.
Wie immer in Grau gekleidet, wies sie Vivian einen Platz auf dem hübschen Sofa an und orderte einen Sherry.
»Ich glaube, ich weiß, was Euch herführt, Kind.«
Tatsächlich? Das war interessant, denn sie selbst wusste es nämlich nicht so genau. Es war bloß ein Impuls gewesen, ohne Erlaubnis die Kutsche ihres Vaters zu nehmen und ohne Anstandsdame loszufahren. Und ohne zu wissen, ob die Duchess überhaupt zu Hause war und sie empfangen würde.
»Seht mich nicht so überrascht an.« Die Duchess lächelte nie wirklich, doch gelegentlich, wie gerade eben, umspielte ein amüsiert wohlwollender Zug ihren Mund. »Ich habe ebenfalls bereits überlegt, ob ein Besuch meinerseits bei Euch nicht angebracht wäre. Wir sind also einer Meinung. Ihr seid verzweifelt und braucht Hilfe.«
So ganz konkret entsprach das nicht Vivians Anliegen, und vor ihrem inneren Auge sah sie Ihre Gnaden schon Seite an Seite mit Damien Northfield finstere Gestalten jagen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefangen hatte.
Sie schüttelte den Kopf. »Selbstverständlich bin ich für alle Hinweise dankbar, die weiterhelfen, und ich danke sehr für das Angebot. Allerdings zielt mein Anliegen in eine andere Richtung. Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr mich gegen meine Mutter unterstützen würdet. Ihr seid die Einzige, die das vermag. Mein Vater will sich nicht einmischen, und ich schaffe es allein nicht.«
»Verstehe.« Die Duchess wirkte etwas enttäuscht, doch dann nahm das Grau ihrer Augen einen stählernen Glanz an, und sie nickte. »Inwiefern kann ich behilflich sein?«
»Sie will, dass ich so tue, als sei nichts geschehen. Aber das kann ich nicht, diese Kraft und Ignoranz bringe ich einfach nicht auf. Lucien wird vermisst. Und solange das so ist, weigere ich mich, bei irgendwelchen öffentlichen Veranstaltungen zu erscheinen. Ein Wort von Euch dürfte genügen, dass sie mir erlaubt, mich aufs Land zurückzuziehen. Das nämlich wünsche ich mir.«
Die Herzoginwitwe verzog indigniert das Gesicht. »Das sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass Ihr nicht zu Empfängen und anderen Lustbarkeiten gehen könnt. Schließlich seid Ihr noch immer mit dem Marquess verlobt. So etwas verbietet der Anstand.«
»Genau das denke ich auch. Meine Mutter hingegen scheint zu glauben, ich müsse eine tapfere Miene aufsetzen, damit ich nicht als versetzte Verlobte dastehe. Vermutlich macht sie im Geheimen bereits neue Pläne für mich. Doch solange ich nicht weiß, was passiert ist, empfinde ich meine Verlobung als bindend und verpflichtend.«
»Sehr richtig. Ich werde mich sofort darum kümmern, mein Kind. Allerdings ist behutsames Vorgehen gefragt. Eure Mutter ist bisweilen etwas … nun … uneinsichtig.«
Vivian fiel ein Stein vom Herzen. Wenigstens das hatte sie erreicht, dass sie sich nicht mehr in der Gesellschaft zeigen musste. Lieber wollte sie auf dem Land auf Nachrichten warten. Auf irgendwas.
Nach kurzem Schweigen faltete sie die Hände und sagte leise: »Ich bin nicht nur meinetwegen hier. Der Duke ist nicht wohlauf.«
»Wie bitte?« Die Duchess, die gerade einen Schluck Sherry nehmen wollte, stellte ihr Glas klirrend zurück. »Sanford ist krank?«
»Ich fürchte, er wird es missbilligen, wenn ich Euch davon erzähle.« Vivian schüttelte betrübt den Kopf.
»Dann handelt es sich offenbar lediglich um ein vorübergehendes Unwohlsein, hervorgerufen durch das Verschwinden seines Sohnes.«
Die Stimme der Duchess klang so überzeugt, als könne sie mit ihren Worten der Wahrheit ein Schnippchen schlagen.
»Nein, danach sieht es nicht aus. Wann habt Ihr ihn das letzte Mal gesehen?«, fragte Vivian und bedauerte bereits, davon überhaupt angefangen zu haben.
»Das liegt schon Monate zurück.«
»Er hat sich in der
Weitere Kostenlose Bücher