Ein Vampir für alle Fälle
innerhalb von zehn Minuten hier sein. Gut ist das nicht - Sie so allein hier draußen, jetzt, wo der Krieg losgeht.«
Vor meinem geistigen Auge sah ich schon Panzer meine Auffahrt entlangrollen.
»Wie schlimm wird's denn werden? Was meinen Sie?«, fragte ich.
»Mein Dad hat mir vom letzten Krieg erzählt. Der fand statt, als sein eigener Dad noch ein kleiner Junge war. Damals kämpften das Rudel aus Shreveport und das aus Monroe gegeneinander. Das Shreveport-Rudel hatte zu der Zeit weit über vierzig Leute, wenn man die Halbgaren mitzählte.« So wurden manchmal etwas spöttisch die genannt, die durch Biss zum Werwolf geworden waren. Sie konnten sich nur in eine Art Wolfsmensch verwandeln und nie in einen echten Wolf, so dass die Werwölfe von Geburt sich ihnen weit überlegen fühlten. »Aber das Monroe-Rudel hatte einen Haufen Collegestudenten in seinen Reihen, so dass es auch auf vierzig, fünfundvierzig Mitglieder kam. Am Ende des Krieges waren beide Rudel nur noch halb so groß.«
Ich dachte an die Werwölfe, die ich kannte. »Hoffentlich hört es bald wieder auf.«
»Wird es nicht«, sagte Tray völlig pragmatisch. »Die haben Blut geleckt, und Alcides Freundin zu töten statt sich an ihn selbst zu halten, war 'ne ganz feige Art der Kriegserklärung. Und dass die auch versucht haben, Sie zu erwischen, macht's noch schlimmer. Sie haben keinen Tropfen Werwolfblut in sich und sind sogar eine Freundin des Rudels. Das sollte Sie zu einer Unberührbaren machen, nicht zu einem Angriffsziel. Und heute Nachmittag hat Alcide auch noch Christine Larrabee tot aufgefunden.«
Wieder war ich schockiert. Christine Larrabee war die Witwe eines der ehemaligen Leitwölfe - oder vielmehr, war es gewesen. Sie hatte hohes Ansehen unter den Werwölfen genossen und war, wenn auch widerwillig, für Jackson Herveaux als Leitwolf eingetreten. Jetzt war sie einem späten Racheakt zum Opfer gefallen.
»Greift er gar keine Männer an?«, fragte ich, als ich endlich meine Stimme wiedergefunden hatte.
In Trays Miene stand tiefe Verachtung. »Nein«, sagte der Werwolf. »Sieht ganz so aus, als ob Furnan Alcides Wut anstacheln will. Furnan selbst bleibt cool, während er alle anderen bis aufs Blut reizt. Und das hat er fast geschafft. Alcide schwankt zwar noch zwischen Trauer und Rachedurst, wird aber wie mit der Schrotflinte drauflosschießen. Dabei wär's besser, wenn er wie ein Scharfschütze aus dem Hinterhalt feuern würde.«
»Ist Furnans Strategie nicht ziemlich... eigenwillig?«
»Ja«, sagte Tray zögernd. »Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist. Offenbar will er Alcide nicht in einem Kampf von Mann zu Mann gegenübertreten. Furnan will Alcide nicht einfach bloß schlagen, sondern töten, ihn und all seine Leute, so sehe ich das zumindest. Einige Werwölfe, vor allem die mit kleinen Kindern, haben ihren Treueeid für Furnan schon erneuert. Seit den Angriffen auf die Frauen haben sie große Angst, dass er auch ihren Kindern was antun könnte.« Der Werwolf stand auf. »Danke fürs Essen. Ich muss meine Hunde noch füttern. Und Sie schließen gut hinter mir ab, hören Sie? Wo ist Ihr Handy?«
Ich gab es ihm, und für einen Mann mit so großen Händen speicherte Tray mit erstaunlich geschickten Bewegungen seine Handynummer in mein Telefonbuch ein. Dann winkte er kurz und ging. Er besaß ein hübsches kleines Holzhaus direkt neben seiner Reparaturwerkstatt, und ich war wirklich beruhigt, dass die Fahrt von hier nach dort nur zehn Minuten dauerte. Ich schloss die Tür hinter ihm ab und sah nach, ob die Küchenfenster geschlossen waren. Sieh an, Amelia hatte wohl irgendwann an diesem milden Nachmittag eines der Fenster gekippt. Als ich das entdeckt hatte, überprüfte ich erst mal alle Fenster im Haus, auch die im ersten Stock.
Nachdem das erledigt war und ich mich so sicher fühlte, wie es unter den Umständen möglich war, setzte ich mich vor den Fernseher. Doch ich nahm gar nicht richtig wahr, was auf dem Bildschirm geschah. Ich hatte über viel zu vieles nachzudenken.
Vor einigen Monaten hatte Alcide mich gebeten, zum Wettkampf um das Amt des Leitwolfs zu kommen und dort mit meinem telepathischen Talent Betrugsversuche aufzuspüren. Mein Pech, dass meine Anwesenheit bemerkt wurde und jeder erfuhr, dass ich es war, die Furnans Betrug aufgedeckt hatte. Es wurmte mich. Wieso hatte ich mich in diesen Wettkampf, der mich doch gar nichts anging, überhaupt hineinziehen lassen? Im Endeffekt war's doch so: Meine Freundschaft mit
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