Ein Vampir fuer alle Sinne
abgestellt, aber sie waren dennoch zu allen Seiten von Fahrzeugen umgeben. Der Parkplatz war erstaunlich gut belegt, obwohl es nach ihrer Schätzung fast neun Uhr sein musste und die meisten Walmart-Filialen bis elf geöffnet blieben.
Ein schläfriges Murmeln von Livy lenkte Jeanne Louises Aufmerksamkeit auf sie, aber das Mädchen schlief noch. Die Gesichtsfarbe sah recht gesund aus, und die Wangen waren sogar ein wenig rosig. Zwei Mahlzeiten und ein bisschen Zeit bei Chuck E. Cheese’s, um einfach mal Kind zu sein, hatten ihr ausgesprochen gutgetan. Noch ein paar Tage von der Sorte wie heute, und sie würde so sehr bei Kräften sein, dass es kein Risiko sein würde, sie zu wandeln.
Jeanne Louise lehnte sich auf ihrem Sitz nach hinten, wobei sie mit einer Hand weiter Boomer festhielt. Als er mit der Zunge über ihre Finger leckte, lächelte sie das Tier an und kraulte es kräftig hinter den Ohren. Boomer war ein guter Hund und hatte vermutlich genauso lange geschlafen wie sie selbst. Dabei fiel ihr ein, dass Paul noch Hundefutter hätte mitbringen sollen. Bevor sie selbst essen gegangen waren, hatten sie ihn nicht mehr gefüttert, was Paul vermutlich nach ihrer Heimkehr hätte tun wollen. Doch stattdessen waren sie mit knapper Not den Vollstreckern entkommen und seitdem auf der Flucht – zusammen mit einem hungrigen Hund.
Von diesem Gedanken wurde sie jedoch abgelenkt, als sie eine Familie bemerkte, die mit Einkaufstaschen bepackt an der Reihe der geparkten Wagen entlangging. Zwei kleine Kinder plapperten ausgelassen drauflos, während die erschöpft aussehenden Eltern sie zu einem Minivan schräg gegenüber von Pauls Wagen dirigierten. Jeanne Louise beobachtete, wie die Eltern die Taschen im Kofferraum verstauten und die Kinder in ihren Sitzen angurteten. Auf einmal bemerkte sie, dass ihre Fangzähne zum Vorschein gekommen waren.
Sie hatte Hunger, aber nicht auf etwas Essbares, denn ihr Magen war mit Pizza noch gut gefüllt. Es war Blut, wonach ihr Körper verlangte, und das bereits sehr beharrlich. Sie musste so schnell wie möglich etwas trinken. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf sah Jeanne Louise sich die Leute an, die auf dem Parkplatz in alle Richtungen unterwegs waren, manche auf dem Weg zurück zu ihrem Wagen, während andere zum Eingangsbereich des Supermarkts strebten. Die meisten von ihnen waren in kleinen Gruppen oder zumindest als Paare unterwegs, und erst nach einigen Minuten fiel ihr ein Mann auf, der offenbar allein war. Mit leicht zusammengekniffenen Augen musterte sie ihn abwägend. Er war jung, vermutlich Anfang zwanzig, sein blondes Haar trug er kurz geschnitten, seine Statur hatte etwas Athletisches. Er sah rundum gesund aus.
Reflexartig fasste Jeanne Louise nach dem Türgriff, dann aber musste sie an Boomer denken, der auf ihrem Schoß lag. Er war jetzt hellwach und hatte sich gemütlich zusammengerollt, aber sie wusste nicht, ob er nicht vielleicht auf die Rückbank springen und Livy stören würde, wenn sie ihn hier im Wagen zurückließ.
Ihr Blick kehrte zu dem jungen Mann zurück, der etwas langsamer wurde, da er sich einem kleinen, sportlichen Coupé näherte, das gegenüber von Pauls Wagen geparkt war. Als Jeanne Louise spürte, dass ihre Fangzähne erneut hervortraten, zwang sie sie zum Rückzug, machte diesmal aber die Wagentür auf.
Den Hund an sich gedrückt stieg sie aus und schloss behutsam die Tür, damit Livy nicht aufwachte, und wandte sich wieder dem jungen Mann zu. Der war soeben im Begriff, in seinen Wagen einzusteigen. Wortlos drang Jeanne Louise in seine Gedanken ein und übernahm die Kontrolle über ihn. Es war so einfach, als würde man einen Finger in weiche Butter stecken. Ganz im Gegensatz zu Paul war dieser Mann so formbar wie ein Klumpen Tonerde.
Lächelnd veranlasste Jeanne Louise ihn dazu, die Wagentür zu schließen und zu ihr zu kommen. Sein Gesichtsausdruck wirkte völlig leer, als er vor ihr stehen blieb. Sie nahm sich einen Moment Zeit, um in seinen Gedanken nach Hinweisen darauf zu suchen, ob er womöglich Alkohol getrunken oder andere Drogen zu sich genommen hatte. Es stellte sich heraus, dass er nüchtern und clean war und sich bester Gesundheit erfreute. Jeanne Louise entspannte sich und brachte den Mann dazu, sich so vorzubeugen, als wollte er sie küssen. Erst im letzten Moment ließ sie ihn den Kopf zur Seite drehen.
Wer sie beobachtete, musste glauben, dass sie sich nur umarmten und sie ihr Gesicht an seinen Hals drückte. Sie legte eine Hand
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