Ein Vampir fuer alle Sinne
um einen Notfall –, droht einem ebenfalls die Todesstrafe.«
»Allmählich erkenne ich da ein Muster«, meinte Paul.
Jeanne Louise lächelte flüchtig und redete weiter: »Im Wesentlichen geht es darum, dass Unsterbliche nichts tun dürfen, das andere auf unsere Existenz hinweisen könnte. Wer dem entgegenhandelt, kann mit dem Tod bestraft werden.« Nach einer kurzen Pause ergänzte sie: »Aber es gibt auch zwei Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass wir uns nicht übermäßig vermehren, weil wir sonst Gefahr laufen, unserer Nahrungsquelle über den Kopf zu wachsen.«
Sie wusste, Paul war nicht auf den Kopf gefallen, daher wunderte es sie auch nicht, dass er bei ihren Worten eine besorgte Miene aufsetzte. »Ein Gesetz besagt«, führte sie aus, »dass wir nur alle hundert Jahre ein Kind zur Welt bringen dürfen. Wer dagegen verstößt, den erwartet der Tod.«
»Und das andere Gesetz?«, fragte er nervös.
Jeanne Louise zögerte einen Augenblick lang. »Jeder Unsterbliche darf in seinem Leben nur einmal einen Sterblichen wandeln.« Nach einer kurzen Pause fügte sie mit einem Schulterzucken an: »Wer dagegen verstößt …«
»… wird mit dem Tod bestraft«, führte Paul den Satz für sie zu Ende und nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. »Und du hast bereits einen Sterblichen gewandelt.«
»Nein«, erwiderte sie und redete weiter, ehe er etwas sagen konnte. »So wie die meisten Unsterblichen habe ich mir das für meinen Lebensgefährten aufgespart, wenn ich ihm eines Tages begegne und er sich als ein Sterblicher entpuppt.«
»Deinen Lebensgefährten?« Er schüttelte verständnislos den Kopf.
»Der eine Mensch, den wir weder lesen noch kontrollieren können und der somit ein echter Partner für uns sein kann. Der eine, der unseren Appetit auf Essen und Sex wiedererwachen lässt. Der eine, mit dem wir so völlig eins werden, wenn wir uns lieben, dass unsere Leidenschaft mit dem anderen geteilt wird und uns überwältigt.«
»Diese … geteilte Lust?«
Sie nickte.
Nachdenklich zog er die Brauen zusammen, während er all das Gehörte verarbeitete. Dann plötzlich dämmerte es ihm, und er flüsterte: »Du kannst
mich
weder lesen noch kontrollieren.«
Wieder nickte Jeanne Louise. »Du bist mein Lebensgefährte, Paul.«
»Dein Lebensgefährte«, wiederholte er bedächtig. »Und wie lange … ich meine, diese geteilte Lust und alles andere … lässt das irgendwann nach oder …?«
»Nein, Unsterbliche gehen eine Bindung fürs Leben ein«, versicherte sie ihm. »Sie bleiben tatsächlich so lange zusammen, bis dass der Tod sie scheidet.«
»Und ich gehöre zu dir?«, fragte er verblüfft. Trotz freudestrahlender Miene klang er ernst, als er schließlich sagte: »Das würde mir gefallen, mit dir zusammen zu sein, bis dass der Tod uns scheidet.«
Sie erwiderte sein Lächeln, während ihr ein Stein vom Herzen fiel. Es würde funktionieren. Er wollte ihr Lebensgefährte sein, er wollte nicht nur Livys Leben retten. Darauf hatte sie gehofft, das hatte sie von ihm hören müssen, ehe sie ihm sagen würde, wie sie gemeinsam Livy retten konnten, ohne dass sie auf ihren Lebensgefährten verzichten musste. Sie schloss für einen Moment die Augen, um diese Erkenntnis zu genießen, dann sah sie Paul an. »Ich will das auch. Ich will dich wandeln und den Rest meines langen Lebens mit dir verbringen.«
Es dauerte ein paar Sekunden, dann begriff er, was ihre Worte bedeuteten. »Warte mal. Wenn du
mich
wandelst, dann … dann kannst du nicht Livy wandeln.«
»Nein, aber
du
kannst das«, erklärte sie mit einem breiten Grinsen, schob jedoch sofort eine Warnung hinterher. »Allerdings heißt das für dich, wenn ich sterbe, wirst du nicht in der Lage sein, deine nächste Lebensgefährtin zu wandeln, falls sie eine Sterbliche sein sollte.« Jeanne Louise ging nicht davon aus, dass das für ihn ein Problem sein würde. Er würde Livys Leben nicht von einer vagen Möglichkeit abhängig machen, dennoch fand sie, dass sie ihn über die Konsequenzen aufklären musste, bevor er eine Entscheidung fällte, die sich nicht rückgängig machen ließ.
Wie erwartet machte er eine wegwerfende Geste. »Du wirst nicht sterben, das werde ich gar nicht erst zulassen. Außerdem könnte ohnehin niemand deinen Platz in meinem Leben einnehmen«, versicherte er ihr ernst.
Sie verkniff sich den Hinweis darauf, dass er vor einer Weile vermutlich das Gleiche zu seiner Frau Jerri gesagt hatte. Stattdessen beugte sie sich vor und küsste
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