Ein verboterner Kuss
schnellen Laufen. Der Mann sah unmöglich aus. Er war groß, hatte ein schmutziges, unrasiertes Gesicht und dickes, zerzaustes schwarzes Haar, das dringend geschnitten werden musste. Seine Gesichtszüge wirkten streng, kantig und irgendwie ... hungrig.
Er erwiderte ihren Blick mit seltsam kalten Augen. „Ich nehme an, Sie sind wegen der Stuten hier.“ Er musterte sie beinahe dreist, besonders dort, wo sich ihre nasse Kleidung an ihren Körper schmiegte. Dabei leuchteten die merkwürdigen goldbraunen Augen auf.
Grace kümmerte sich nicht darum. „Ich weiß nichts von irgendwelchen Stuten. Ich brauche Hilfe. Es hat einen Unfall gegeben.“
Er hob ruckartig den Kopf. „Was für einen Unfall?“ „Unsere Kutsche ist umgekippt. Unten, auf der Auffahrt.“ Er brummte etwas vor sich hin, aber nicht auf Englisch. „Ist jemand verletzt?“
„Nein, nicht ernsthaft. Aber die Passagiere sitzen in der Kutsche fest, und der Postillion ist weggelaufen. Er war betrunken. Sie müssen kommen, bitte!“
Er schien nachzudenken. „Also keine Toten? Und niemand blutet?“
„Nein“, erwiderte sie ungeduldig. „Aber die Tür klemmt, und niemand kann sich befreien. Sie müssen sofort etwas tun! “
„Sind die Pferde verletzt?“ Er trat aus der Box.
Er könnte Zigeuner sein, dachte sie. Dunkel genug sah er ja aus. Er hatte keinen Mantel an und trug hohe, lehmbespritzte Stiefel und eine fleckige Reithose aus Hirschleder. Sein Hemd war ebenfalls schmutzig, und die hochgekrempelten Ärmel entblößten sehnige braune Unterarme. Dieser Mann sah stark und zupackend aus, und das war alles, was im Moment zählte.
„Nein, es geht ihnen gut. Bitte, beeilen Sie sich!“
„Und Ihr Name war noch mal ...?“ Er schloss die Boxentür betont umsichtig.
Sie hätte am liebsten geweint vor Ungeduld, stattdessen stampfte sie mit dem Fuß auf. „Mein Name ist Greystoke, aber das geht Sie gar nichts an!“
„Nun, das würde ich so nicht sagen. Jetzt beruhigen Sie sich, Greystoke. Niemand ist verletzt. Ich komme mit. Alles wird gut. “ Seine Stimme klang tief, ruhig und zuversichtlich.
Sie versuchte, ihn weiter von der Dringlichkeit der Sache zu überzeugen. „Miss Pettifer - dort, in der Kutsche sie zeigte in Richtung Auffahrt, „ist Lord D Acres Verlobte und damit Ihre zukünftige Herrin. Also informieren Sie bitte Ihren Herrn, und zwar sofort ! “
„Kein Mann ist mein Herr“, gab er mit aufreizender Ruhe zurück. Er sah Grace durchdringend an, in seinen Augen funkelte es. Schien er sich über sie lustig zu machen? War dieser Mann so boshaft? „Aber gegen eine Herrin hätte ich nichts einzuwenden. Werden Sie auch bald meine Gebieterin, Greystoke?“ Er zog seine Reithose hoch. „Ich könnte gut eine gebrauchen. Es ist schon eine Weile her.“
Grace war schockiert, aber sie hatte nicht vor, sich auf einen verbalen Schlagabtausch mit diesem goldäugigen ungehobelten Teufel einzulassen. „Sie haben keinerlei Manieren! Dringend müsste Ihnen einmal gründlich der Kopf gewaschen werden, und nicht nur der! Jetzt beeilen Sie sich doch!“
Er lächelte feinsinnig, eigentlich eher äußerst durchtrieben, während er sich in Bewegung setzte. Na endlich! dachte sie. Doch dann kam er geradewegs auf sie zu und stand plötzlich ganz nah vor ihr. Zu nah, und ehe sie noch reagieren konnte, umrahmte er ihr Gesicht mit den Händen. Sie konnte nur noch seine Augen sehen. Ihre Farbe war seltsam, wie heller, goldener Bernstein mit einem schmalen dunklen Ring um die Iris. Sie funkelten unter geschwungenen schwarzen Augenbrauen.
Grace saß in der Falle. Sie fühlte sich wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange und war zu schockiert, um sich bewegen zu können.
Der Blick, den er über ihr Gesicht schweifen ließ, war wie eine Liebkosung. „Sind diese Sommersprossen echt?“, fragte er sanft. Seine Stimme vibrierte durch ihren ganzen Körper. Zu Grace’ Überraschung roch er gar nicht schmutzig, nur ein klein wenig nach Pferd, was nicht weiter überraschend war. Und er roch sehr männlich.
Sie versuchte, ihn wegzustoßen. „Hören Sie sofort auf damit! Es hat einen Kutschenunfall gegeben!“, erinnerte sie ihn mit der strengsten Stimme, die sie aufbringen konnte.
„Aber es ist niemand verletzt worden“, erwiderte er und küsste sie. Es war nur ein schneller und auch ein ziemlich fester Kuss, aber er ging Grace durch Mark und Bein.
Schließlich ließ er sie los und sah sie mit ausdrucksloser Miene an. „Das hätte ich jetzt
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