Ein verboterner Kuss
daraus habe ich selbst gemacht“, berichtete Mrs Stokes. „Blaubeeren helfen gut, wenn Sie irgendetwas plagt.“
„Ja, gern, Mrs Stokes, vielen Dank“, brachte Grace mühsam hervor, obwohl kein Obst der Welt gegen den Schmerz helfen würde, der sie plagte.
Nach dem Frühstück nahm sie ein paar Äpfel und Möhren und ging zu den Stallungen, um sich von den Pferden zu verabschieden, die sie so lieb gewonnen hatte. Auf dem Hof spannten die Stallburschen gerade die Kutschpferde ein. Grace eilte ins Innere des Stalls.
Die Stuten warteten schon wie jeden Morgen auf sie. Sie reckten die Hälse über ihre Boxentüren und wieherten leise. Zuerst verabschiedete sie sich von dem Fohlen, aber das beachtete sie gar nicht, weil es gierig bei seiner Mutter trank. Sein kleines Schwänzchen wedelte aufgeregt hin und her. Grace lachte und gab seiner Mutter und deren Schwester in der Nachbarbox jeweils einen Apfel.
Dominics Pferd bekam eine Möhre. „Pass gut auf ihn auf, Hex.“ Er nahm die Möhre, aber als Grace ihn streicheln wollte, legte er erschrocken die Ohren nach hinten. „Ihr passt gut zueinander - beide groß, schön, edel und dickköpfig.“
Sie hörte, wie die Kutsche zum Vordereingang des Schlosses rollte und verabschiedete sich hastig von der zierlichen silbergrauen Stute, die sie inzwischen fast als ihr Eigentum betrachtete. „Lebwohl, Silberfee, mein Liebling. Ich werde unsere morgendlichen Ausritte vermissen.“ Silberfee nahm ihr behutsam den Apfel ab und kaute ihn genüsslich, während Grace ihr die samtigen Nüstern streichelte und sie zum Abschied umarmte.
Mit schwerem Herzen ging sie davon. Wie einfach wäre es gewesen, ihre Meinung zu ändern, Silberfee zu satteln und wie gewohnt auszureiten ... nur ... Folter.
Abdul wartete in der Halle auf sie. „Sie erweisen mir eine große Ehre, Abdul“, sagte sie.
Er lächelte schief. „Vielleicht, Sitt. Ich bin aber auch gekommen, um mit Ihnen zu schimpfen.“
„Mit mir schimpfen?“
„Sie laufen weg, dabei müssen Sie bleiben und kämpfen.“ „Es gibt nichts, was ich tun könnte.“
Er hob verzweifelt die Hände. „Ich kann nicht verstehen, wie die Engländer es geschafft haben, den größten Teil der Welt zu beherrschen. Sie, er und dieses andere Mädchen - Sie alle sagen: ,Ich kann nichts tun. Auf die Art werden Sie alle drei unglücklich werden. Pah! Bringen Sie den alten Mann um, und alles ist gut. “
Er konnte das nicht ernst gemeint haben. Grace lächelte, schüttelte den Kopf und wollte an Abdul Vorbeigehen, doch er hielt sie am Arm fest.
„Sitt, ich kenne Dominic Wolfe seit zehn Jahren, seit er zum Mann herangewachsen ist, und ich sage Ihnen, noch nie hat er eine Frau so angesehen, wie er Sie ansieht. Er hat immer Frauen umgarnt, die er nicht haben konnte - Frauen mit alten oder abwesenden Ehemännern, Frauen, die nie mehr von ihm wollten, als er zu geben bereit war.“ Er schüttelte sie leicht. „Noch nie hat er sich nach einer Jungfrau verzehrt.“
Sie errötete wegen seiner Direktheit, außerdem war sie keine Jungfrau mehr. Sie entzog ihm ihren Arm. „Sie reden mit der falschen Person, Abdul.“
Wieder hob er die Hände. „Pah - er ist stur wie ein Maultier! Aber hinter dieser Fassade, junge Sitt, ist er ... wie sagt man das?“ Er bewegte die Hände im Kreis umeinander herum. „Durcheinander?“
„Ja, völlig durcheinander. Nicht nur, dass er sich für eine Jungfrau interessiert. Er hat sich im Leben immer nur um sich selbst gekümmert - außer damals, als er mich gekauft hat, weil er meine Männlichkeit retten wollte. Gott und Dominic Wolfe seien bedankt. Ich sollte zum Eunuchen gemacht werden. Sie wissen, was das ist?“
Sie nickte und wurde flammend rot.
„Jedes Mal, wenn ich zwischen den Schenkeln einer Frau liege, frohlocke ich über Dominic Wolfes Mitgefühl - und da ich ein gesunder Mann bin, frohlocke ich ziemlich oft! Aber er ... er ist von dunklen Schatten umgeben. Von zu vielen, und ich sage mir immer, Abdul, hier liegt deine Aufgabe. Aber er ist wie ein Blatt, das fliegt.“ Mit den Händen ahmte er ein Blatt nach, das ziellos im Wind trieb. Dann begannen seine schwarzen Augen zu funkeln. „Aber jetzt auf einmal, hier an diesem Ort, an dem er angeblich nicht sein will, interessiert er sich plötzlich für diesen Jungen, diesen alten Mann, diese Frau und ihre Familie, den Bauern mit dem undichten Dach und so weiter und so fort. Er lässt mich stundenlang arbeiten, um den Besitz wieder aufzubauen - dabei
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