Ein verboterner Kuss
Pasteten sein, von denen er gesprochen hat - du hast ihn offensichtlich völlig missverstanden. Und sieh nur, da sind auch frisches Brot, Käse, Äpfel und eine Flasche Portwein. Den kann Papa zwar im Moment nicht trinken, trotzdem ist das sehr umsichtig gedacht.“ Sie strahlte Grace an. „Siehst du, ich habe dir doch gesagt, er ist ein netter Mann! “
Grace nickte lächelnd, aber innerlich kochte sie. Sie hatte ihn nicht missverstanden - er hatte sie bewusst in die Irre geführt! Der Duft der Pasteten stieg ihr verführerisch in die Nase. Dieser Unhold! Wie konnte sie dauerhaft böse auf einen Mann sein, der ihr heiße Pasteten schickte?
Doch das musste sie, denn Melly fing an, ihn zu mögen. Nun musste sie ihn erst recht auf Distanz halten. Auf große Distanz.
Aber was geschah, wenn Melly sich in ihn verliebte? Und er nur ein kaltherziges, geschäftliches Arrangement im Sinn hatte? Wie es aussah, musste Grace nicht nur ihr eigenes Herz schützen. Seufzend nahm sie sich eine Pastete. Langsam wurde alles ganz schrecklich kompliziert.
Dominic saß auf einer Bank vor dem „Wolfestone Arms“ und trank einen Humpen Ale. Sheba lag mit dem Kopf auf seinem Stiefel zu seinen Füßen. Es war ein wunderschöner Abend, und der Duft nach frischer, feuchter Erde und Laub hüllte ihn ein wie ein Parfüm. Dominic sah zu, wie der Mond über dem Tal aufging. Dem Tal seiner Vorfahren. Seiner verhassten, unbekannten Vorfahren.
Gott, was hatten sie für ein Chaos hinterlassen.
Dominic hatte vorgehabt, niemals den Boden von Wolfestone zu betreten. Aber nun hatte er es getan, und es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er wieder von hier fortgehen konnte.
Er hatte dem Wirt zwei Briefe übergeben, die mit der nächsten Postkutsche weggeschickt werden sollten, einen an Podmore, den Anwalt der Familie und Testamentsvollstrecker seines Vaters, den anderen an Abdul, seinen ... Ja, wie sollte man Abdul nennen? Seinen Majordomus? Seinen agent d’affaires ? Keine Bezeichnung konnte Abdul gerecht werden. Es gab einfach nichts, was Abdul nicht tun konnte oder wollte.
Er schmunzelte unwillkürlich vor sich hin. Was die Dorfbewohner wohl zu Abdul sagen würden? Er würde bestimmt für reichlich Gesprächstoff sorgen!
Jedes Mal, wenn Dominic die Schankstube betreten hatte, waren die Gespräche im Raum verstummt. Das machte ihm nichts aus. Er hatte noch nie irgendwo dazugehört, und die Meinung der Dorfbewohner über ihn interessierte ihn nicht. Er hatte sie von Anfang an nicht kennenlernen wollen, und sobald er die Dinge im Schloss geregelt hatte, würde er fortgehen und sie nie Wiedersehen.
Trotzdem war das verstohlene Getuschel um ihn herum irritierend, und deshalb hatte er sich, weil der Abend so schön war, nach draußen gesetzt.
Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht. Er mochte englisches Ale nicht besonders, aber der Wirt hatte ihm keinen anständigen Wein anbieten können, nur einen Portwein, der zu süß für seinen Geschmack war. Das Ale hingegen war stark, bitter und dunkel. Es passte genau zu seiner Stimmung.
Er war wütend auf Sir John Pettifer und seine Tochter gewesen, weil sie ihn gezwungen hatten, herzukommen. Im Nachhinein war er ganz froh darüber. Wie lange hatte Eades seine üblen Machenschaften schon betrieben? Er musste sich aus dem Staub gemacht haben, sobald Podmore ihn nach Bristol bestellt hatte, damit er den neuen Schlossbesitzer kennenlernte. Ob er geahnt hatte, dass Dominic Unregelmäßigkeiten in den Geschäftsbüchern aufgefallen waren? Zum Glück hatte er ein Auge für Zahlen, sonst wären Eades’ Unterschlagungen womöglich niemals aufgeflogen.
Dutzende Bedienstete waren wer weiß wie lange von dem Familienvermögen bezahlt worden, aber in dem Schloss war schon seit Jahren nicht ein einziges Zimmer mehr gereinigt worden. Eades war der Übeltäter, doch Dominic wusste, wer der eigentliche Verantwortliche war - sein Vater. Er hätte dieses Schloss niemals so verfallen lassen dürfen.
Dominic verstand ihn nicht, aber das hatte er noch nie getan. Wolfestone hatte seinem Vater alles bedeutet, und doch hatte er es verfallen lassen. Was war das für ein Mensch, der damit prahlte, dass sich das Anwesen seit sechshundert Jahren im Besitz der Familie befand, und gleichzeitig glaubte, dass es nur eines männlichen Erben bedurfte, um die Tradition fortsetzen zu können?
Jetzt hatte Dominic den schrecklichen Zustand des Besitzes von Nahem gesehen, das Durcheinander, das sein Vater hinterlassen und
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