Ein verboterner Kuss
das Eades noch vergrößert hatte. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als Ordnung zu schaffen. Er musste den Besitz wieder so herrichten, dass er verkauft werden konnte. Dominic hasste Verschwendung. Wenn man im Leben mit nichts angefangen und sich alles, was man besaß, hart erarbeitet hatte, weiß man die Dinge wohl einfach besser zu schätzen, dachte er.
Er blickte leidenschaftslos über das Schachbrettmuster der Felder und die sanften Hügel, die die Abendsonne in ein goldenes Licht tauchte. Es war schwer zu glauben, dass das alles ihm gehörte - sobald er Miss Pettifer heiratete. Es war eine schöne Landschaft, ein guter, ertragreicher Boden. Es würde viel Arbeit machen, den Besitz wieder produktiv werden zu lassen. Aber derjenige, der ihn dann kaufte, würde mehr als entschädigt werden. Und auch für Dominic würde sich der Verkauf von Wolfestone dann finanziell lohnen.
Bis dahin musste er zumindest eine Zeit lang in diesem heruntergewirtschafteten Schloss wohnen. Der letzte Ort der Welt, an dem er sich je hatte aufhalten wollen.
Der Gedanke versetzte ihm einen unerwarteten Stich, genau wie beim ersten Mal, als er das Zuhause seiner Vorfahren erblickt hatte. Ein heruntergewirtschaftetes Schloss. Was für eine Ironie! Was für eine verdammte Ironie.
Wie oft hatte er sich in seinem Leben schon vorgenommen, Wolfestone ein für allemal von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen? Und jetzt war er hier und plante tatsächlich, den Besitz zumindest teilweise wieder aufzubauen ...
Nur, bis er in einem Zustand ist, dass ich ihn verkaufen kann, sagte er sich. Dem Andenken seiner Mutter zuliebe musste er den Namen Wolfestone endgültig auslöschen. Wie oft hatte er sie als Junge beim Weinen ertappt. Sie hatte ihm nie etwas erklärt und auch nie über diesen Ort gesprochen, nur so viel: „Wenn du je nach Wolfestone kommst, wirst du mich verstehen.“
Ja, das tat er jetzt wirklich. Dieser Ort war der Grund für ihr ganzes Leid. Für Wolfestone war eine unschuldige, weltfremde, siebzehn Jahre alte Erbin an einen fast dreißig Jahre älteren Ehemann verkauft worden. Um Erben für Wolfestone zu bekommen, hatte sein Vater eine blutjunge Frau in sein Bett gezwungen und sie geschlagen, als sie nicht empfing. Wegen Wolfestone hatte sie den Großteil ihres jungen Lebens leiden müssen - und genau deswegen würde ihr Sohn diesen Besitz zerstören.
Dominic trank noch ein Ale. Die Fleischpasteten waren so hervorragend gewesen wie angekündigt, nur leider etwas salzig. Absichtlich, vermutete er. Wenn das Essen gut gesalzen war, tranken die Gäste mehr.
Ein leichter Wind strich durch die Blätter der Buchen. Es wurde langsam Herbst, der Boden war schon gesprenkelt mit goldgelbem und rotbraunem Laub, das wie Sommersprossen auf der Erde wirkte, wie blank polierte neue Pennystücke. Dominic lächelte.
Gott sei gedankt für dieses funkelnde neue Pennystück in meinem Leben, dachte er, und augenblicklich hellte sich seine Laune auf. Wer hätte gedacht, dass er sie ausgerechnet in Wolfestone finden würde, voller Sommersprossen und in einem hässlichen grauen Kleid.
Sheba setzte sich plötzlich auf, und Dominic sah zur Brücke hinüber, doch es war niemand da. Der junge Billy Finn war noch nicht zurückgekehrt. Der Junge hatte sich an diesem Abend einen Schilling verdient.
Dominics Mundwinkel zuckten. Nur allzu gern hätte er ihr Gesicht gesehen, als der Junge mit dem Korb aufgetaucht war.
„Wie ist sie bloß Gesellschafterin geworden?“, fragte er Sheba. „Frech wie Oskar und blitzgescheit. Gesellschafterinnen sind sonst immer demütig und anspruchslos. Ich bezweifle, ob diese Ausdrücke in ihrem Wortschatz überhaupt Vorkommen.“ Sheba wedelte zustimmend mit dem Schwanz.
Ihr familiärer Hintergrund machte ihn immer neugieriger. Ihre bis an die Zähne bewaffneten weiblichen Verwandten hörten sich an wie Straßendirnen oder etwas in der Art. Und doch war sie in mancher Hinsicht noch so unschuldig. Schmunzelnd erinnerte er sich daran, wie sie auf seine nackte Brust gestarrt hatte. Wie sehr sie sich angestrengt hatte, nicht hinzusehen. Er sollte ihr keineswegs anmerken, dass er sie genauso interessierte wie sie ihn.
Eine faszinierende Mischung, sein Blauauge ohne Vornamen.
Als Gesellschaftsdame musste sie noch viel lernen, über Männer allerdings auch. Und Dominic war genau der richtige Mann, ihr etwas beizubringen.
Von Adeligen hielt sie nicht viel, das stand jedenfalls fest.
Er lächelte vor sich hin. In seiner
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