Ein verführerischer Akt
ganz andere Bilder herauf, doch sie schien es nicht zu bemerken.
Sie schaute zum bewölkten Himmel auf. Der leichte Nieselregen ließ ihre Kleidung feucht werden. »Vielleicht wäscht der Regen wenigstens den Fischgestank weg.«
»Ich bin derjenige, der die Kisten geschleppt hat, nicht du«, protestierte er.
»Aber ich habe mich den ganzen Tag zwischen lauter Fischständen aufgehalten. Glaub mir, das bleibt ebenfalls nicht ohne Wirkung.«
Er lachte und nahm das mit Zeitungspapier umwickelte Paket in die andere Hand. »Gekocht stinkt er bestimmt nicht mehr so stark und schmeckt obendrein.«
»Kannst du etwa kochen?«, fragte sie. »Ich zumindest habe das noch nie probiert. Ach, Moment mal, natürlich! Du hast als Kind und Jugendlicher bestimmt viel Zeit in der Küche verbracht.«
Er lächelte. »Es ist tatsächlich so, dass …«
»Fein, dann kannst du ja für mich kochen.«
»Ich tue alles für dich: Essen besorgen, auf dich aufpassen – da werde ich auch für dich kochen können.«
Sie grinste vergnügt. »Ich glaube, diese Regelung gefällt mir.«
In der Unterkunft besorgten sie sich ein Kohlebecken und grillten den großen Fisch, den er zusätzlich zu seinem Lohn bekommen hatte. Es war mehr als genug für sie beide, und so ging Rebecca zu den Kindern, um ihnen die Reste zu bringen. Es war ein Festmahl für die Kleinen und üppig dazu, denn alle wurden noch satt.
Als vom Essen nichts mehr übrig war und alle sich fürs Schlafengehen fertig machten, sah Julian Rebeccas Zögern. Er fasste nach ihrer Hand, und als sie ihn verständnislos ansah, deutete er mit dem Kopf zur Tür. Sie grinste und ließ sich von ihm mitziehen. Er führte sie nach draußen in den Hof, wo sie sich auf zwei Kisten setzten und er ein kleines, eingewickeltes Päckchen aus der Tasche zog, um es ihr zu reichen. Während sie die Schnur löste, warf sie ihm immer wieder neugierige Blicke zu. Dann stieß sie einen Jauchzer aus, und ein Strahlen ging über ihr Gesicht. »Ein Törtchen!«
»Mit Erdbeeren«, sagte er. »Tut mir leid, falls es etwas zerdrückt ist.«
»Ach, das ändert nichts am Geschmack«, erwiderte sie und nahm den ersten Bissen. Ihre Augen schlossen sich vor seliger Wonne.
Es verlangte ihn nach mehr als nur nach dem Törtchen, während er sie beobachtete. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einer Frau jemals ein solches Geschenk machen würde.«
Sie kicherte und wischte sich mit dem Handrücken ein paar Krümel vom Gesicht. »Und ich hätte mir nie träumen lassen, wie sehr ich mich über ein so schwer verdientes Geschenk freue. Vielen Dank.« Sie brach ein Stück vom Kuchen ab. »Iss auch etwas davon.«
»Nein, es gehört dir. Ich genieße es, dir beim Essen zuzuschauen.«
Entschlossen beugte sie sich vor und hielt ihm das Stück vor den Mund. »Beiß ab«, beharrte sie.
Schließlich tat er ihr den Gefallen, und als seine Lippen ihre Finger streiften, schaute er ihr fest und begehrlich in die Augen.
Sie verharrte regungslos, errötete. »Ich schmecke bestimmt nach Fisch«, meinte sie verlegen.
Er kaute und schluckte den Bissen hinunter, ehe er sagte: »Das stört mich nicht.«
Freudige Erwartung auf ihr nächstes enges Beisammensein wurde in ihnen entfacht wie die Glut in einem Kamin, und heiße Flammen des Begehrens loderten in ihrem Innern auf. Er erinnerte sich daran, wie sie sich geküsst hatten, und dachte an das Gefühl, sie in den Armen zu halten, und den Ausdruck hemmungsloser Lust auf ihrem Gesicht. Drei Tage waren seit diesem gestohlenen Moment vergangen, drei Tage, in denen er sich ständig einredete, er sei wieder Herr der Situation. Und jede Nacht hatten sie sich aneinandergeschmiegt, und das würden sie auch heute wieder tun. Meist wurde er wach, wenn sie sich bewegte. Dann sah er das Gemälde vor seinem inneren Auge und stellte sich vor, dass sie genauso auf seinem Bett liegen würde … verführerisch hingegossen nur für ihn. Letztlich musste er sich eingestehen, dass er weit davon entfernt war, wie sonst alles unter Kontrolle zu haben. Vor allem sich selbst nicht. Und dass er sich nie hätte vorstellen können, so etwas jemals zu erleben.
Er räusperte sich. »Was würde eigentlich deine Familie davon halten, wenn sie wüsste, was du gerade tust?«
Ihr Lachen glich eher einem Schnauben. »Wahrscheinlich wären sie überrascht oder auch nicht. Schließlich haben sich die Zweige meiner Familie, die Lelands ebenso wie die Cabots, so einiges geleistet. Eigentlich scheint es nur folgerichtig,
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