Ein verfuehrerischer Handel
ebenfalls ein negatives Bild von seiner Schwester. Mit einem Vater, der ihn ignorierte, einer Mutter, die ihn verließ, und einer rücksichtslosen, geldgierigen Schwester, die nur Vorteile aus seinem Reichtum zog -wie konnte er da etwas anderes sein als ein gefühlloser Eiszapfen?
Ariel verspürte einen unerwarteten Anflug von Mitleid.
Die Unterhaltung versiegte. Sie reisten den größten Teil des Tages schweigend dahin. Ariel las oder stickte, während der Graf sich Bücher über Textilherstellung ansah oder die zahllosen Akten über Geldanlagen, die er mitgebracht hatte. Die Fahrt war lang, und als er endlich seinem Kutscher das Zeichen gab, an einem Gasthaus namens King’s Way anzuhalten, in dem sie die Nacht verbringen wollten, war Ariel erschöpft.
Offensichtlich hatte der Graf eine Nachricht vorausgeschickt, denn zwei Zimmer warteten bereits auf sie. Das Wissen, dass sie ihren eigenen Privatraum haben würde, hätte sie eigentlich ein wenig beruhigen sollen. Doch als sie durch die Tür des mit Efeu bewachsenen Gasthauses schlüpfte, kehrte ihre Nervosität mit aller Macht zurück.
Der Graf stand an der Treppe, sein kühler Blick war ausdruckslos: dennoch fühlte sie die Anspannung in den Muskeln seines schlanken Körpers. »Werdet Ihr mir im Schankraum Gesellschaft leisten zum Essen oder möchtet Ihr lieber allein speisen?«
Sie war erleichtert, dass sie in die Sicherheit ihres eigenen Zimmers fliehen konnte. »Ich bin sehr müde, Mylord. Oben eine Kleinigkeit zu essen, würde ich vorziehen, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
Seine Mundwinkel kräuselten sich, als hätte er ihre Ge-danken erraten. »Sehr wohl, ich selbst werde Euch etwas bringen.«
Ariel erstarrte, wieder begann sie, sich Sorgen zu machen. »Danke«, flüsterte sie heiser.
Als sie das leise Klopfen an der Tür hörte, war sie noch immer vollkommen angekleidet, weil sie sich nicht hatte ausziehen wollen - ganz zu schweigen davon, dass sie dazu gar nicht in der Lage war - ehe der Graf das Abendessen gebracht hätte.
Er runzelte die Stirn, als er eintrat und das Tablett auf die schlichte Kommode an der Wand stellte. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, Ihr wärt müde. Warum seid Ihr dann noch immer angekleidet? Ah, wie konnte ich das nur vergessen? Ihr habt keine Zofe, nicht wahr? Unter diesen Umständen werde ich selbst die Ehre haben ... komm zu mir, Ariel.«
Es lag etwas in der sanften Art, wie er ihren Namen aussprach, das ihr einen leisen Schauder über den Rücken schickte. Sie machte keine Anstalten, ihm zu gehorchen. Lieber Himmel, sie konnte sich noch zu gut an den Befehl erinnern, sich in seinem Schlafzimmer auszuziehen.
»Ihr habt doch nicht etwa Angst vor mir, oder? Ich dachte, Ihr hättet begriffen, dass ich Euch nicht zu nahe treten würde.«
»Ich bin nicht ... ich habe keine Angst, Mylord.« Also was war es dann, was sie so unbeweglich vor ihm stehen ließ? Sie war nicht sicher.
»Aber Ihr seid müde. Ich möchte Euch nur helfen. Lasst mich die Knöpfe öffnen, damit Ihr Euch für die Nacht zurechtmachen könnt.«
Sie ging zu ihm hinüber, ihre Beine fühlten sich hölzern und starr an. Ariel fühlte seine Hände auf ihren Schultern, sanft drehte er sie um; dann begann er, sich den Knöpfen im Rücken ihres Reisekleides zu widmen. Es war ein eigenarti-ges Gefühl, viel zu intim und dennoch nicht ganz unangenehm.
Wenn dieser Mann Phillip wäre ... wenn er ihr Gatte wäre, dann könnte sie es genießen. Aber der Graf von Greville war nicht Phillip Marlin, und anstatt eines beruhigenden, ein wenig angenehmen Gefühls empfand sie die Berührung seiner Finger wie heiße Kohlen, die ihre Haut verbrannten.
Schließlich war das Oberteil gelockert, und sie hielt es schüchtern über ihren Brüsten fest. Er stand noch immer hinter ihr, das Licht des Feuers warf seinen langen Schatten über sie. Der Stoff seines Rockes berührte ihren Rücken, als er ihr eine Haarnadel nach der anderen aus der Hochfrisur zog und dann die blonde Fülle über ihre Schultern fallen ließ.
»Wie Sonnenschein im Winter«, murmelte er, und seine Finger kämmten sanft durch die Locken. »Soll ich Euch Zöpfe flechten?«
Das Bild seiner langen, dunklen Hände kam ihr in den Sinn, die sich bemühten, diese Aufgabe zu meistern, und sie verspürte ein eigenartiges Gefühl in ihrem Magen. Als sie sich zu ihm umwandte, stellte sie fest, dass seine Augen sich zu einem dunklen, silbernen Grau verwandelt hatten, mit Pupillen, die so schwarz waren, dass sie im
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