Ein verführerischer Pakt
entkommen.
Irgendetwas an Clives Furcht und um Vergebung heischendem Verhalten machte ihn stutzig. Warum sollte er Leib und Leben aufs Spiel setzen, um zu tun, was er getan hatte, und sich dann einem Man stellen, der gedroht hatte, ihn umzubringen? Das ergab doch gar keinen Sinn. Es sei denn … "Beau!" brüllte Guy und rannte hinaus, um den Jungen zu suchen. Wenn Clive es gewagt hatte, den Jungen zu entführen, dann würde er etwas noch Schlimmeres zu Wege bringen, als nur einen Mord zu begehen.
Er war unendlich erleichtert, als er den Jungen die Treppe herunterlaufen sah.
"Gott sei Dank! Ich dachte schon …" Er konnte und wollte den Satz nicht zu Ende sprechen. Stattdessen ließ er sich atemlos mit Beau auf der untersten Treppenstufe nieder.
"Mama geht es besser", berichtete Beau schließlich. "Das wollte ich dir gerade erzählen. Sie hat sich angezogen und trinkt Tee in ihrem Zimmer."
"Wie schön!" Guy atmete tief durch. "Was hältst du davon, wenn wir beide jetzt einen Schluck …" Er hielt inne. Natürlich war Beau noch viel zu klein für Alkohol. "… Milch trinken?" fuhr er fort. "Milch, und dazu vielleicht ein paar von diesen leckeren Keksen, die die Köchin für Notfälle bereithält?"
"Gute Idee", stimmte Beau lächelnd zu. "Wir wollen feiern, dass es Mama wieder gut geht."
Ihm war nicht nach Feiern zumute, aber Beau – und Lily – zuliebe musste er gute Miene zum bösen Spiel machen. Viel mehr konnte er nicht für sie tun, bis der Arzt aus Edinburgh eintraf. Selbst dann gab es keine Garantie dafür, dass man weitere Zwischenfälle verhindern konnte. Das Herz wurde ihm schwer bei dem Gedanken an seine Frau und ihren Sohn. Noch nie hatte er so inbrünstig gebetet wie an diesem Tag. Die plötzlichen religiösen Anwandlungen überraschten Guy ein wenig. Sehr lange Zeit waren sie völlig verschüttet gewesen. Lilys Vater musste in der Kirche doch einen tieferen Eindruck bei ihm hinterlassen haben, als er gedacht hatte.
"Hast du sie gesehen? Wie geht es ihr?" wollte Bernadette von Clive wissen.
Er warf seine Handschuhe auf den kleinen Tisch neben der Tür. "Ich habe nur mit Duquesne gesprochen. Er war so wütend, dass ich wohl großes Glück gehabt habe, ihm mit heiler Haut entkommen zu sein."
"Er würde es nicht wagen, dich anzurühren", versicherte die alte Baroness. Nachdenklich klopfte sie mit dem Zeigefinger an ihre Unterlippe. "Meinst du, sein Zorn könnte auf seine Sorge um sie zurückzuführen sein? Es hat ihn sicher schwer getroffen, einsehen zu müssen, dass seine Frau tatsächlich verrückt ist." Sie lächelte. "Als ich zum ersten Mal einen ihrer Anfälle miterlebt habe, war ich auch ziemlich außer mir, du nicht?" Sie fächelte sich mit der Hand Luft zu. "Ich fühle mich jetzt immer noch ein wenig schwach."
Clive schnaubte und strich sich das Haar aus der Stirn. "Mir brauchst du nichts vorzumachen, Mutter. Aber vielleicht solltest du den Doktor rufen lassen."
Bernadette machte eine wegwerfende Handbewegung und griff nach dem Glockenstrang. "Kein Grund, Augustus heute herzubemühen. Ich werde einfach Evan bitten, mir einen Sherry zu bringen."
"Ist das das Stichwort für mich, wieder zu verschwinden?"
Bernadette zuckte unschuldsvoll die Achseln. "Tu, was immer du willst, Liebling. Hauptsache, du bist glücklich."
12. Kapitel
Guy ging ungeduldig hin und her, während Dr. Ephriam sich ein Bild von Lilys Zustand machte. Sie hatte darauf bestanden, den Arzt im Salon zu empfangen, und Guy dann gebeten, in der Bibliothek auf sie zu warten. In ihrem blassblauen Morgenmantel und mit dem zarten Häubchen aus Spitze und Seidenband hatte sie wieder vollkommen im Einklang mit ihrer Rolle als perfekte Ehefrau und Mutter gewirkt.
Er sah sie wieder vor sich, wie sie in schäbiger, ausgeliehener Männerkleidung agiert hatte, und er lächelte in sich hinein. Ihr ganzes Wesen schien sich verändert zu haben, seitdem sie wieder Röcke trug. Beide Persönlichkeiten faszinierten ihn jedoch ungemein. Ob sie sich nun völlig burschikos gab und ihn herausforderte, ihn zu heiraten, oder ob sie still und ganz Dame in ihrem Salon saß – sie tat beides mit so viel Stil, dass er sie dafür einzig bewundern konnte. Und das war nur eine ihrer vielen Qualitäten, zu denen nicht zuletzt auch ihre innere Stärke zählte.
Und auf diese kam es heute am meisten an. Sollte sie sich davor gefürchtet haben, eingehender auf ihren Geisteszustand hin untersucht zu werden, so hatte sie sich jedoch nicht das
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