Ein verfuehrerischer Tanz
mit dir, Amelia?, schoss es ihr durch den Kopf. Soll er mit dem albernen Taschentuch selig werden, du musst hier raus!
»Heute Nacht«, fuhr er fort, er rollte sich auf die Seite und stützte sich auf dem Ellbogen ab, »brauchen wir keine Kerzen.«
»Nein«, platzte sie heraus.
»Nein?« Er setzte sich auf. »Dann vor dem Kamin. Hier drin ist es ein bisschen kühl geworden.«
Amelia beobachtete stumm, wie er aufstand und das Fenster schloss. Dann nahm er die Kissen und Decken vom Bett und legte sie vor den Kamin. Er schüttete Kohlen auf das Feuer und schürte die Flammen, worauf Amelia wohlige Wärme umfing.
War das derselbe arrogante, ungehobelte Kerl, den sie heute Morgen geheiratet hatte? Ein Herzog schloss für gewöhnlich nicht das Fenster, baute Kissenburgen oder schürte das Feuer. Spencer hingegen tat das mit einer Selbstverständlichkeit, die sie beruhigend und seltsam erregend fand. In solchen Momenten zeigte er sich von seiner menschlichen Seite. Und er sah gewiss nicht aus wie ein kaltblütiger Killer.
Umhüllt vom Licht und der Wärme der Flammen, zerstreute sich Amelias Verdacht. Sie hatte überreagiert.
Im Grunde ihres Herzens glaubte sie an seine Unschuld. Andererseits war sie meist zu vertrauensselig – was häufig unangenehme Konsequenzen hatte. So oder so, wenn sie Beweise für seine Unschuld wollte, wer hinderte sie daran, ihm auf den Zahn zu fühlen?
»So«, sagte er. Er klopfte sich den Kohlenstaub von den Händen und wischte sich die Finger an seiner Hose ab. »Die Vögel stören uns nicht mehr. Was ist mit deinen verwirrenden Gedanken? Kann ich was für dich tun?« Er setzte sich vor den Kamin und bedeutete ihr, sich zu ihm zu gesellen.
»Vielleicht.« Sie setzte sich vorsichtig auf ein Kissen und legte sich eine Decke über den Schoß. »Wo warst du die ganze Zeit? Der Butler meinte, du seist ausgeritten.«
»Das stimmt. Ich musste vor unserer Abreise noch ein paar Dinge erledigen. Wir fahren morgen weiter nach Cambridgeshire.«
»Das hat meine Zofe mir gesagt. Warum so schnell?« Sie bemühte sich, nicht allzu enttäuscht zu klingen. Anscheinend hatte er sich keine Gedanken gemacht, ob sie morgen schon fahren wollte. Demnach konnte sie sich nicht einmal von ihren Brüdern verabschieden. Und ihre Freundinnen hatten keine Gelegenheit, sie als frisch angetraute Herzogin mit »Eure Hoheit« anzureden, bis sie einen hysterischen Lachanfall bekamen.
»Claudia, mein Mündel, kehrt in Kürze aus York zurück. Ich freue mich schon darauf, sie wiederzusehen und sie dir vorzustellen. Außerdem habe ich momentan in London alles erledigt.«
»Einschließlich Blitzheirat?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wie schon gesagt, ich bin nicht in London, weil ich eine Frau suche. Ich bin wegen Osiris hergekommen.«
Sie stöhnte heimlich auf. Nicht schon wieder dieses Pferd.
»Ich hatte mir vorgenommen, Osiris beim Glücksspiel zu gewinnen, aber das hat sich zerschlagen. Eine Münze ist in fremde Hände geraten, und Bellamy und Ashworth sind nicht bereit, mir ihren Anteil an dem Hengst zu überlassen. Deshalb sehe ich keine Veranlassung, noch länger in London zu bleiben. Ich kann dem Stadtleben nun mal nicht viel abgewinnen.«
»Verstehe«, murmelte sie. Welche Rolle spielte sie eigentlich in seinem Leben? War sie der Trostpreis, weil es mit dem Hengst nicht geklappt hatte? »Wenn du nicht auf Brautschau in London bist, wieso hast du mich dann geheiratet?«
Er schwieg eine Weile.
»Wenn du nichts dagegen hast, würde ich dir das lieber zeigen. Dann kann ich mir die Antwort sparen.«
Ihr Herz machte einen Satz. So viel zum Thema Kissen, Kaminfeuer und Mordgelüste … sie hatte den Grund für seinen Besuch in ihrem Schlafzimmer nahezu verdrängt.
Er offenbar nicht.
Sie bekam einen roten Kopf, als er sie mit einem langen besitzergreifenden Blick bedachte. Heiße Röte breitete sich über ihren Nacken und ihr Dekolleté aus. Unter dem durchschimmernden Stoff ihres Nachtgewands zeichneten sich ihre harten, dunklen Spitzen ab. Sicher hatte er es auch bemerkt, denn er lächelte wissend.
Er nestelte an ihrem spitzenumsäumten Ausschnitt, der unter der Decke hervorschaute. Sie beobachtete, wie seine Finger über den zarten Stoff strichen. Obwohl er nicht einmal ihre Haut berührte, spielten Amelias Nerven verrückt. Sie hielt den Atem an, und sein Grinsen wurde breiter. Sie hatte das Gefühl, dass er mit ihr spielte, so wie er mit dem Ausschnitt ihres Nachtkleids spielte. Als wolle er ihr
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