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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
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vielleicht Ihren Lohn, aber ich mache Ihnen das Leben zur Hölle, wenn Sie sich gegen mich stellen!«
    Angelica klang sehr überzeugend. Aber Mary war in erster Linie erleichtert, dass mit der »freundlichen Arbeitgeberin« Mrs Thorold gemeint war, nicht Anne Treleaven.
    Irgendwas an Marys Miene schien Angelica nicht zu behagen. Sie sah Mary noch etwas länger an. Dann packte sie ohne Vorwarnung Marys Hand und bohrte die scharfen Fingernägel tief in die gerötete und mit Brandblasen überzogene Haut.
    Mary zog scharf die Luft ein. Tränen schossen ihr in die Augen, aber es gelang ihr, nicht aufzuschreien.
    Angelica starrte sie herausfordernd an.
    Mary blieb stocksteif sitzen und schluckte das Bedürfnis hinunter, sich zu wehren.
    Nach einigen Sekunden ließ Angelica sie los. An den Spitzen ihrer Fingernägel glitzerte es rot. »Sie sind gewarnt.«
    ***
    Die blutige Auseinandersetzung schien Angelicas Laune gehoben zu haben. Als ihre Besucher einer nach dem anderen eintrafen   – für jeden überbrachten Blumenstrauß kam jemand   –, war sie in einigermaßen geneigter Stimmung, und ihre Wangen waren immer noch leicht gerötet. Mary kam mit verbundener Handin den Salon und hörte gerade, wie der Diener verkündete: »Mr George Easton und Mr James Easton.«
    George ging mit raschen, erwartungsvollen Schritten voraus. Er war tadellos mit Seidenweste und gemusterter Krawatte gekleidet, seine Stiefel waren gewienert, und seine Uhrenkette schimmerte so hell, wie sein Lächeln breit war. Er hatte sogar die Spitzen seines Schnurrbartes gewachst! James, einige Schritte hinter ihm, trug hingegen recht gedeckte Kleidung: graue Weste, schlichte Krawatte. Seine Lippen waren zu einem zynischen Lächeln verzogen   – gut zu erkennen, da er glatt rasiert war.
    Ganz artig begrüßte Angelica den älteren Bruder zuerst. »Mr Easton! Ich möchte mich für den bezaubernden Strauß bedanken   … woher wussten Sie, dass ich Chinarosen anbete?«
    George beugte sich feierlich über ihre Hand, richtete sich wieder auf und sah sich im Salon um. »Ich bin beeindruckt, dass Sie sich erinnern können, welcher Strauß von mir ist, Miss Thorold.«
    Sie stieß ein klingelndes Lachen aus und reichte James die Hand. »Ich muss gestehen, dass ich mir nur meine Lieblingsbuketts merken kann.« Sie ließ sich in der Mitte eines freien Sofas nieder, blickte über die Schulter und sagte beiläufig: »Läuten Sie nach Tee, Miss Quinn.« Und mit anmutiger Geste forderte sie die Brüder auf, sich zu ihr zu setzen.
    Sie setzten sich.
    Mary zog an dem Glockenstrang.
    Der Tee wurde gebracht.
    Von ihrem Platz auf dem steiflehnigen Stuhl am Fenster war Mary bestens in der Lage, das folgende Geplänkel und Flirten zu beobachten. Angelicas Verhalten war mädchenhaft und verspielt und richtete sich vornehmlich an James. Ab und zu warf sie auch George eine Bemerkung zu, damit er sich nicht ausgeschlossen fühlte, aber es war eindeutig, wen sie bevorzugte. Ob sie das nur tat, um ihre Mutter zu ärgern, oder weil sie James tatsächlich lieber mochte, war nicht klar.
    Mary hielt den Mund und strickte. Ihre Hand pochte schmerzlich. Für jemanden, der Klavier spielte, hatte Angelica sehr spitze Fingernägel.
    Nach einer Weile nahm die Unterhaltung eine interessante Wendung.
    »Wogegen ich mich wehre«, sagte James, »ist, dass Florence Nightingale zu so einer Art neuzeitlicher Heiligen gemacht wird. Sich um Soldaten zu kümmern war ja schön und gut, aber inzwischen ist sie das Zentrum eines lächerlichen Kultes. Wenn man sich die törichten jungen Damen vorstellt, die alle den erstbesten Zug zur Krim besteigen   … das war gefährlich und äußerst verantwortungslos.«
    Angelica ließ ihr zustimmendes Glöckchenlachen hören. »Ach, wie wahr!«
    »Jede gelangweilte alte Jungfer in England glaubt auf einmal, in der Lage zu sein, Lazarettärztin zu spielen«, fuhr er fort.
    »Ohne diese ›gelangweilten alten Jungfern‹ auf der Krim wären die englischen Verluste aber vielhöher gewesen.« Mary war über sich selbst überrascht: Die klare, bissige Stimme gehörte ihr. War sie verrückt, sich in das Privatgespräch der anderen einzumischen?
    Alle drei drehten sich abrupt nach ihr um.
    James zog nur die Augenbrauen hoch. »Schon wahr. Aber ich meine die Neigung, den Beruf einer Krankenschwester zu verklären   … es ist eine unschöne, hässliche Angelegenheit, was nur sehr wenige junge Damen wissen.«
    Mary sah ihn an und hob ebenfalls die Augenbrauen.

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