Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
zum Beispiel als seine Exfrau jemand anderen kennenlernte und Peter sich darum sorgte, welche Auswirkungen das auf Daniel haben könnte, oder wenn bei der Arbeit etwas schieflief und er nicht so viele Versicherungen verkaufte, wie er sollte, schrieb er ihr und erzählte ihr davon. Manchmal erwähnte er andere Frauen. Einmal war da eine Katherine, mit der er ein paar Monate lang ausging, dann eine Audrey, mit der er sich ziemlich lange traf. Aber er heiratete nicht wieder und lebte weiterhin allein.
Wartete er etwa auf Flavia? All diese Jahre? Er sprach nie davon, und sie versuchte, nicht darüber nachzudenken. Trotzdem gewöhnte sie es sich an, Ausschau nach dem Briefträger zu halten, nur für den Fall der Fälle.
Sie führte ein gutes Leben, obwohl Lenny und sie schwer arbeiten mussten. Flavia machte den Teig für frische Pasta und Pizza selbst, und sie hatten ein Stück Land gekauft, sodass sie auch Tomaten anbauen konnten. Unter Glas wuchsen dort große Fleischtomaten und kleine, aromatische Kirschtomaten.
Sie waren ein Team. Aber wo blieb dabei die Liebe? Lenny war kein Romantiker. Das war er nie gewesen, und jetzt, da sie das Azurro betrieben, war in ihrem Leben auch kaum mehr Platz für Romantik. Aber er war ein guter, ein freundlicher Mann, und dafür war Flavia dankbar. Die Romantik allerdings … Nun, das war etwas für das Mädchen, das sie einst gewesen war, und dieses Mädchen hatte sie hinter sich gelassen.
Sie wusste, dass Lenny sich Kinder wünschte, doch sie bekamen keine, und in gewisser Weise war Flavia froh darüber. Sie hatte so viel Arbeit, und sie war nie der mütterliche Typ gewesen. Dazu war sie zu ehrgeizig; das sizilianische Verständnis von Frausein – ein Leben für Haushalt und Kinder – hatte ihr immer widerstrebt.
Als es dann doch passierte, war sie Anfang vierzig und konnte es zuerst nicht glauben. Das war nicht möglich. Nicht nach all diesen Jahren. Aber es war doch wahr, und Tess’ Geburt kam ihr wie ein kleines Wunder vor. Sie nannten sie Teresa Jane.
Jetzt drehte sich ihr Zusammenleben mit Lenny nicht mehr nur um das Azurro . Endlich waren sie eine richtige Familie.
Gelb wie Durum-Weizen, der in der Sonne leuchtet, gelb wie Safran, gelb wie Zitronen und gelb wie goldener, warmer, flüssiger Honig.
Honig, der schon den ältesten Kulturen bekannt war, wird in Sizilien seit Tausenden von Jahren hergestellt, aber sein Geschmack hat sich im Lauf der Jahrhunderte verändert. Die Pflanzenwelt hat sich verändert, und der Honig, der unter dem Namen millefiori oder »tausend Blumen« bekannt ist, steht für dieses Erbe. Heutzutage stammt der Großteil des sizilianischen Honigs aus dem Nektar von Orangenoder Eukalyptusblüten.
Flavias Favorit war sizilianischer Orangenblütenhonig. Sie verarbeitete ihn in allen ihren dolce, denn er war leicht und frisch und schmeckte nach Frühling. Nach Hoffnung und Neubeginn …
63. Kapitel
T ess freute sich, als sie eine überraschende Einladung zum Mittagessen bei Millie und Pierro erhielt. Sie hatte auch eine SMS von Ginny bekommen. Nichts Weltbewegendes, aber Ginny kommunizierte mit ihr. Denn Tess versuchte, ihr Freiraum zu lassen, für sie da zu sein, ohne sich aufzudrängen. Und es schien zu klappen.
Der Tisch war auf Millies und Pierros Privatterrasse gedeckt; ein schlichtes Mahl nach sizilianischen Maßstäben, aber es sah köstlich aus. Es gab einen einfachen Salat aus grünen Bohnen mit Brot und verschiedene Meeresfrüchteantipasti, die kunstvoll auf weißen Tellern angerichtet waren.
Pierro sauste hin und her und kümmerte sich um Dinge, die mit dem Hotel zu tun hatten. Einmal ging es um einen schwierigen Gast, ein anderes Mal besorgte er einem Handwerker eine Zange, dann wieder ging er ans Telefon …
Millie dagegen war so entspannt wie immer. Ihr »Mädchen« Louisa saß an der Rezeption, und Millie nahm sich nur zu gern ein paar Stunden frei. »Das habe ich mir verdient«, erklärte sie Tess. »Komm her, und lass dich ansehen.«
Tess tat ihr den Gefallen, und Millie küsste sie auf sizilianische Art auf beide Wangen. Heute trug Millie ein pinkfarbenes Top zu einem Hosenrock aus schwarzer Baumwolle und schwarze Pumps mit einer winzigen pinken Schleife. Ihr Lippenstift allerdings war knallrot wie immer. Eine solche Farbkollision kann nur Millie erfolgreich überstehen, dachte Tess.
»Wie geht’s euch beiden?«, fragte sie. »Was macht das Geschäft?«
»Alles bestens.« Millie bot ihr einen Platz an. »Und wie geht es
Weitere Kostenlose Bücher