Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
haben.
Tess nickte. Schnell schrieb sie zurück. Okay, in 15 Minuten im B.R.
Als sie das Handy mit gespielter Beiläufigkeit wieder in die Handtasche warf, beobachtete Lisa sie immer noch. »Pass auf dich auf, Liebes«, sagte sie.
6. Kapitel
A ls sie zu Hause ankam, folgte Tess der Musik von Vampire Weekend in die Richtung, aus der sie am lautesten ertönte. In Jacks Zimmer, das so hieß, weil dort eine einsfünfzig hohe orange-gelb gestreifte Bastgiraffe namens Jack residierte, lag Ginny der Länge nach auf dem Sofa und lernte – oder was auch immer sie bei dem Höllenlärm tat.
»Ich muss schnell noch mal weg«, schrie Tess. »Ich bin in spätestens einer Stunde zurück.«
Ginny nickte im Takt zur Musik. »Hau rein, Baby.«
Tess nickte. Das würde sie tun.
Als sie im Wagen saß und zu dem am Fluss gelegenen Pub fuhr, fragte sie sich, was Lisa mit Hat sich etwas geändert? gemeint hatte.
Nichts hatte sich geändert, oder? Aber vielleicht hatte Robin ja endlich erkannt, dass er mehr in ihre Beziehung investieren musste, um sie am Leben zu erhalten.
Kurz nach sieben fuhr sie auf den Parkplatz und inspizierte wie gewohnt kurz die Wagen, die dort standen. Es war kein Auto dabei, das sie kannte, auch das von Robin nicht. So war das Leben einer Geliebten: Man musste immer selbst fahren und verbrachte viel Zeit mit Warten. Sie seufzte. Es gab auch Vorteile, was man manchmal leider schnell vergaß. Das Leben mit Robin war aufregend. Der Sex war aufregend. Sie war nach wie vor frei; sie konnte so egoistisch sein, wie sie wollte, meistens jedenfalls. Sie brauchte weder für ihn zu kochen noch zu waschen, zu bügeln oder zu putzen. Wenn er sich mit ihr traf, dann tat er es, weil er sie wirklich sehen wollte. Er war großzügig, freundlich und brachte sie zum Lachen. Was war dagegen einzuwenden? Sie schaute prüfend in den Rückspiegel, sah, dass ihre Augen leuchteten, und spürte, wie ihr Magen vor Vorfreude einen Satz machte. Warum sollte sie sich wünschen, dass sich etwas daran änderte?
»Sie hat alles für ein Wochenende bei ihren Eltern vorbereitet«, erklärte Robin. »Ich wollte ihr gerade sagen, dass ich verreisen muss …«
Er war fünf Minuten nach ihr gekommen und hatte abgehetzt und unglücklich ausgesehen. Nachdem er sie geküsst hatte, kam er gleich zum Thema, aber sie wusste schon Bescheid, bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte.
»Und?« Tess fühlte sich innerlich wie tot. Konnte man ein Wochenende bei den Eltern nicht auf einen anderen Zeitpunkt verschieben? Sie wünschte, sie hätte sich ein großes Glas Wein bestellt. Sie musste fahren, aber in diesem Moment war ihr das ziemlich egal. Sie fragte sich, was für eine Geschichte er Helen auftischen wollte. Eine Geschäftsreise? Ein Wochenendausflug mit ein paar handverlesenen Kumpanen, die sein Geheimnis nicht verraten würden?
»Sie dachte, es wäre eine nette Überraschung.« Er fuhr sich durchs Haar. Ihr fiel auf, dass er nicht so geleckt wie sonst aussah. Er wirkte zerzauster, als sie ihn je gesehen hatte.
»Und?« Wollte er etwa wegen eines Wochenendes bei Helens Eltern die Sizilienreise absagen? In seinen grauen Augen stand ein bedrückter Ausdruck. Aber sie würde es ihm nicht leicht machen.
»Sie hat einen Tisch im Restaurant reserviert. Theaterkarten bestellt. Alles ist arrangiert.« Er breitete die Hände aus und legte die Stirn in tiefe Falten. »Wenn ich nicht dabei bin, verderbe ich ihr alles.«
Und Sizilien verdarb er ihr nicht, wenn er nicht mitkam? Sie holte tief Luft und bemerkte, dass sie ihr Weinglas so fest umklammerte, dass der schlanke Stiel gleich zerbrechen würde. Sie lockerte ihren Griff. »Wieso würde das denn alles verderben?« Gott, sie klang so ruhig.
»Weil alle es von mir erwarten.« Er sprach langsam, um seine Worte zu unterstreichen. Zum ersten Mal schlug er die Augen nieder. »Nicht nur, dass Helen am Boden zerstört wäre …«
Am Boden zerstört? Das war ja wohl ein wenig übertrieben. »Um Himmels willen, Robin, verschon mich.« Tess trank einen großen Schluck Wein, schloss kurz die Augen und fragte sich, ob manche Frauen dazu geboren waren, Geliebte zu sein, und andere dazu, Ehefrauen zu werden.
»Aber ihre Familie wird reden, Fragen stellen, den Status quo stören.«
Wäre das so schrecklich? Vielleicht war es Zeit, dass einmal jemand den Status quo störte. »Warum sollten sie?«, erkundigte sie sich kühl. Ihr wurde klar, dass sie bereits dabei war, sich von ihm zu trennen. Jetzt schon. Sie
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