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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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war in der drückenden Schwüle des Mittags ringsumher nichts Lebendiges zu hören oder zu sehen. Etwas pochte in Flavias Kopf. Nur Himmel und Erde und kein Mensch.
    »Bitte.« Er leckte sich über die ausgetrockneten, aufgesprungenen Lippen.
    » Si .« Sie drehte die Wasserflasche auf, beugte sich über ihn und roch seinen Schweiß und das Blut und spürte seine männliche Körperwärme. Dann setzte sie die Flasche an seine Lippen und neigte sie vorsichtig.
    Er trank gierig und verschluckte sich fast, sodass ihm das kostbare Nass übers Kinn floss. Seufzend trank er noch einmal, dieses Mal beherrschter.
    Flavia hockte sich hin und wartete.
    Wie schwer er wohl verletzt war? Sie würde Hilfe holen müssen. Damit wurde sie allein nicht fertig. Aber wen …? »Inglese?«, flüsterte sie.
    Er nickte.
    Sie stand auf und machte Gehbewegungen. Konnte er laufen? Sie zeigte auf ihn und fragte: »Si?«
    Er schüttelte den Kopf und stieß ein leises, heiseres Lachen aus. »Nein. Ich befürchte, nicht. Ich habe es versucht.«
    Flavia drehte den Verschluss wieder auf die Flasche und stellte sie neben ihn. Wenn er nicht gehen konnte …
    »Wissen Sie, was heute Nacht passiert ist?«, fragte er, während er sich mühsam in eine bequemere Haltung schob. »In der Luft?« Er unterstrich seine Worte mit Gesten, um sich verständlich zu machen.
    Sie schüttelte den Kopf. Aber sie erinnerte sich an die Geräusche, die sie gehört hatte, und an die Suchscheinwerfer, die den dreiviertelvollen Mond überstrahlt hatten. Wie hatte sie auf ein Zeichen gehofft, auf eine Veränderung! Und sie erinnerte sich an das Wenige, das sie mitgehört hatte, als sie heute Morgen vor dem Café gestanden und Papa und die anderen Männer aus dem Dorf belauscht hatte. Was war das gewesen? Ein Luftangriff?
    »Sie verstehen Englisch, oder?«
    »Si.« Sie nickte. »Ein bisschen.« Dank Signor Westerman verstand sie die Sprache. Aber sie traute sich nicht, sie zu sprechen. Sie hatte keine Übung. Sie würde Fehler machen, und er würde sie auslachen.
    »Eine Brücke in der Nähe von Syrakus …« Er seufzte und war anscheinend nicht in der Lage weiterzusprechen. Schweigen trat ein.
    Sie musste etwas tun, etwas sagen, nicht einfach nur hier stehen wie eine Idiotin.
    »Wir haben die Küste aus den Augen verloren und sind vollkommen vom Kurs abgekommen.« Das Sprechen fiel ihm offensichtlich schwer. »Wir hatten keine Chance, die Karten zu studieren. Es gab keine Lichter auf dem Boden, nach denen wir uns richten konnten. Wir konnten verdammt nichts sehen.«
    Sie nickte, um ihm zu zeigen, dass sie ihn verstand, obwohl sie nichts begriff, nicht wirklich. Konnte sie es riskieren, Papa zu holen? Er sympathisierte mit den Engländern; man brauchte sich nur anzusehen, wie treu er Signor Westerman diente. Er würde die Villa und alles, was darin war, wenn nötig mit seinem Leben verteidigen.
    »Können Sie mir etwas zu essen bringen?«, fragte der Pilot. Seine Stimme schien schwächer zu werden. »Ich wäre Ihnen schrecklich dankbar.«
    »Si.« Aber vorher … »Ihr Bein?« Sie zeigte mit dem Finger darauf.
    Er verzog das Gesicht. »Ich glaube, ich habe eine ziemlich üble Schnittwunde. Ein Wrackteil ist daraufgefallen, und zwar verdammt fest.«
    Flavia runzelte die Stirn. »Gebrochen?«, fragte sie. Mit einer Handbewegung machte sie deutlich, was sie meinte, und er zuckte zusammen.
    »Ich glaube nicht.«
    Sie würde Verbände brauchen, Desinfektionsmittel, zumindest heißes Wasser. Und Essen. Aber wie konnte sie ihn im sizilianischen Juli mitten auf einem Feld allein zurücklassen? Das war undenkbar. Die Sonne würde ihn bei lebendigem Leib rösten.
    »Ich gehe …«, begann sie. »Ich hole Hilfe.«
    Angst huschte über sein Gesicht. »Nein«, sagte er. »Kommen Sie allein zurück. Bitte. Wenn Sie können, bringen Sie mir bitte einen Hut mit, etwas zu essen, Verbandszeug.«
    Flavia stand auf.
    »Sagen Sie niemandem etwas davon«, warnte er sie. »Sie werden mich töten. Ich werde sterben.«
    Flavia verstand. »Warten Sie hier«, sagte sie. Als bliebe ihm etwas anderes übrig …
    Im grellen weißen Licht des Nachmittags flog sie buchstäblich über die rote Erde, vorbei an dem Weizenfeld, das unter den Hitzeschleiern weich wie das Fell einer Katze aussah, durch den Olivenhain, wo die Bäume ihr schimmernd zulächelten, zurück zu dem alten Steinhäuschen, das unglaublicherweise noch genauso aussah wie vorhin, als sie es verlassen hatte. Wie war das möglich? Dabei hatte

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