Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
dem Wohnzimmer entfernt hatte – zwei Vasen, eine Obstschale aus Keramik, eine Art-déco-Uhr, den großen Silberspiegel über dem Kamin, einen Spargelfarn namens Mildred und eine Leselampe –, konzentrierte sie sich auf die Möbel. Chelsea Dagger lief auf Hochtouren, und Ginny auch. Das Sofa sollte in Jacks Zimmer – die Chillout-Zone der Party –, und den Sessel konnte sie in die Abstellkammer unter der Treppe quetschen. Der iPod ließ sich mit der Musikanlage ihrer Mutter verbinden; sie probierte es aus. Got ma nuts from a Hippie erfüllte den Raum. Sie probierte ein paar Hüftschwünge und Drehungen. Rollte den Teppich auf. Alter Finne … Der Holzboden war die perfekte Tanzfläche.
Ihr Handy piepte; sie hatte eine SMS bekommen. Sie zog das Handy aus ihrer Hosentasche. Die SMS war von Becca. Was gibt’s zu essen? Ginny schrieb ihr zurück. Chips und Popcorn .
In der Küche räumte sie die Oberflächen frei und organisierte die Drinks. Es gab Wein (aus dem Vorrat ihrer Mutter, die wahrscheinlich nicht mal etwas davon merken würde), Gin (Pops hatte ihn vor zwei Jahren für Weihnachten gekauft, und er war kaum angebrochen), Cola und Cranberry-Saft (Ginnys Beitrag). Den restlichen Alkohol würden die Gäste mitbringen. Kein Problem.
Sie öffnete die Haustür und ging hinaus. Lisa jätete Unkraut in ihrem kleinen Vorgarten, und die beiden Mädchen spielten Schlagball.
Als sie Ginny sahen, kreischten sie. »Ginnyyy! Komm, spiel mit, Ginnyyy!«
»Ich kann nicht.« Ginny zog ein bedauerndes Gesicht. »Ich mache Hausputz.«
»Wirklich?« Lisa setzte sich auf die Fersen. »Braves Mädchen. Deine Mutter wird sich freuen.«
Bescheiden lächelnd hakte Ginny die Finger in den Bund ihrer Jeans.
»Ich hoffe, ihr nehmt euch ein Beispiel daran, Mädchen«, rief Lisa ihren beiden Töchtern zu. »Das erwarte ich in ein paar Jahren auch von euch …«
Aber sie waren so in ihr Spiel vertieft, dass sie sie nicht einmal hörten.
Lisa winkte ab und lächelte Ginny zu.
Ginny zuckte mit den Schultern und erwiderte ihr Lächeln. Zu den Dingen, die Ginny an Lisa liebte, gehörte, dass sie Ginny immer zu den Erwachsenen zählte. »Mum hat dir wahrscheinlich erzählt, dass ich heute Abend ein paar Freundinnen eingeladen habe«, sagte sie.
»Ähem …« Lisa runzelte die Stirn. »Nein, ich glaube nicht.«
»Ich hoffe, wir stören euch nicht.« Hinter dem Rücken kreuzte Ginny die Finger. »Ein paar von meinen Freundinnen sind manchmal ein bisschen, hmmm, laut.«
Lisa lächelte großmütig und wedelte mit ihrer kleinen Hacke durch die Luft. »Ist schon in Ordnung«, meinte sie. »Mach dir keine Gedanken. Wir drehen einfach den Fernseher lauter. Viel Spaß.«
»Danke, Lisa.« Wenn es zu wild wurde, dachte Ginny, konnte sie sich morgen immer noch entschuldigen. Und mit ein bisschen Glück hatte Lisa alles vergeben und vergessen, bis Mum nach Hause kam. Mum. Bei dem Gedanken schauderte es Ginny. Aber jetzt kam sie aus der Nummer nicht mehr heraus. Sie hatte ihn schon eingeladen.
Bevor sie wieder ins Haus ging, schlich sie sich in den Durchgang zwischen den Häusern und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche ihrer langen grauen Strickjacke. Sie rauchte nicht oft, normalerweise nur, wenn sie ausging, und zu Hause nur, wenn Mum nicht da war. Aber der Durchgang war genau der richtige Ort dafür. Er war nicht einzusehen, und dort standen die Mülltonnen. Sie inhalierte tief und ging in die Hocke. Würde er zu der Party kommen? Sie hatte ihm eine SMS geschrieben und ihn gebeten, ein paar Freunde mitzubringen. Er hatte geantwortet, dass er das vielleicht tatsächlich tun würde. Jetzt konnte sie nur noch warten. Und Warten war etwas, was Ginny schwerfiel.
Zurück im Haus bewaffnete sie sich mit drei schwarzen Mülltüten und machte sich an ihr eigenes Zimmer. Hier würde sie Mäntel und anderes Zeug ablegen. Und … Sie schloss die Augen und spürte, wie er näher kam, fühlte seinen warmen, süßen Atem im Gesicht, spürte, wie seine Lippen ihre suchten, wie sie zusammen aufs Bett fielen … Verdammte Axt, bei dem Gedanken brach ihr der Schweiß aus. Wenn er hier hereinkäme …
Sie sah sich um. Was würde er davon halten? Es war ein Kinderzimmer, voll mit niedlichen, netten, hübschen und herzigen Sachen. Das war nicht unbedingt der Eindruck, den sie ihm vermitteln wollte.
Sie zog die erste Tüte auseinander.
Ihr ganzes altes Make-up flog hinein, Lidschatten und Lipgloss, Rouge und Glitzer, Tübchen und Paletten klapperten
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