Ein Vollidiot kommt selten allein! - Rick ; Bd. 4
kerzengerade,
als hätte sie soeben einen Besenstiel verschluckt.
»Und wir werden sie Ihnen auch nicht verraten«, beschloss
ich.
»Genau!«, fügte Finn hinzu. Oh Mann, er hasste es einfach,
wenn er nicht das letzte Wort hatte.
Hagrid alias Martin Finkenwerder schnaufte ziemlich
ungehalten. »Ich bin kein Penner . Ihr seid in unserem Garten
herumgekrochen. Und wenn ihr nicht wollt, dass ich
gleich meine gute Erziehung vergesse, dann nehmt ihr jetzt
flugs eure Beine in die Hand und verschwindet.«
Alles klar. Obwohl er bestimmt keine gute Erziehung
hatte, ließ ich mir das nicht zweimal sagen. Ehe Finn noch
etwas erwidern konnte, krallte ich mir seinen Arm und zog
ihn mit mir.
Wenige Minuten später standen wir wieder an der
Stelle, von der wir vorhin kreischend geflohen waren. Wir
waren quasi die ganze Zeit über im Kreis gelaufen. Und
das bedeutete, dass dieser Hagrid-Finkenwerder in der
Nähe unseres Trümmerhauses wohnen musste. Auweia,
hoffentlich lief ich dem bald nicht mal direkt in die Lodenmantelarme!
»Lass uns zurückgehen«, schlug Finn vor. »Wetten, dass
Gismo schon längst auf der Küchenbank liegt und sich von
Mary den dicken Bauch kraulen lässt?«
Ich schüttelte entschlossen den Kopf. Gismo war ein
Stubenhockerkater, der eine Maus nicht einmal erkannte,
wenn sie sich ihm mit Namen vorstellte. Und so ein verschusselter,
übergewichtiger Pupser würde im Leben nicht
den Weg zurück nach Hause finden. Nie-niemals!
Finn verdrehte die Augen. »Das hat doch alles keinen
Sinn. Mir ist kalt, dir ist kalt und die Eilenriede ist riesig.
Wie sollen wir ihn denn da bloß finden?«
Ich hob die Schultern und erklärte trocken: »Indem wir
ihn suchen, Finn.«
Ich konnte nicht ohne Gismo zu Hause aufkreuzen – und
langsam, aber sicher machte ich mir kirchturmgroße Sorgen,
dass genau das geschehen könnte. Doch solange das
Blut in meinen Adern noch nicht vollständig gefroren war,
würde ich nicht aufgeben.
Und das schien mir Finn nun auch anzusehen, denn er
seufzte schwer und brummte: »Na gut, dann suchen wir eben weiter. Auch wenn ich es für sinnlos halte und wir
morgen bestimmt mit einer Lungenentzündung im Bett
liegen.«
Ich verzog den Mund zu einem kurzen Grinsen. »Dann
müssen wir wenigstens nicht in die Schule und ich hab
meine Ruhe vor der Püttelmeyer.«
Also machten wir weiter. Wir stapften durch den Schnee,
schauten hinter jeden Strauch, Baumstamm und Hügel.
Krochen auf allen vieren durchs Unterholz, schwitzten
trotz der Kälte wie die Schweine und brüllten uns die Kehle
aus dem Leib.
Meine Verzweiflung wuchs und wuchs … Aaarrrgh, es
war zum Hühnermelken, Gismo war wie vom Schneeboden
verschluckt. Kein Pfotenabdruck, kein Miauen, nichts!
Irgendwann musste auch der größte Optimist schnallen,
dass wir bis zur Stimmbandentzündung nach Gismo
rufen konnten. Der Kater antwortete nicht, weil er A: nicht
wollte, B: nicht konnte, C: uns nicht hörte oder weil er D:
längst von der fiesen Hundemeute in tausend Stücke zerfetzt
worden war.
Schließlich lehnte Finn sich keuchend gegen einen dicken
Baumstamm und jammerte: »Ich kann nicht mehr, Rick.
Und ich will auch nicht mehr.«
Ich rümpfte verächtlich die Nase. »Sag ich doch, dicke
Abenteurerjacke mit Wolfskralle haben wollen, aber null
Mumm in den Knochen. Das passt!« Damit ging ich einfach
weiter. Finn motzte irgendwas, folgte mir aber schnaufend.
Und dann, gerade als ich befürchtete, selbst vor Erschöpfung in den eisigen Schnee zu sinken, dort festzufrieren
und erst im Frühling wieder aufzutauen, um dann von
Eichhörnchen angenagt zu werden, da huschte ein paar
Meter vor uns etwas ziemlich Dickes und sehr Haariges
auf den Weg.
»Gismo!«, schrie Finn begeistert und rannte los. Ich stolperte
ihm nach.
Der Kater war nun direkt vor uns und hetzte im Hängebauchschweinsgalopp
geradeaus. Ich hatte schon das Gefühl,
jede Sekunde Gismos Schwanzspitze zu fassen zu
kriegen, da machte der Weg eine leichte Rechtskurve und
war auf einmal zu Ende. Finn und ich legten eine Vollbremsung
hin und blickten völlig perplex auf eine Autostraße
mit einem Seeufer dahinter.
»Das gibt es doch gar nicht«, sagte Finn kopfschüttelnd.
»Wir sind beim Maschsee gelandet. Unfassbar, dass wir so
weit gelaufen sind.«
Aber es gab keinen Zweifel. Vor uns lag tatsächlich das
Rudolf-von-Bennigsen-Ufer. Und direkt davor – zwischen
Straße und See – hockte ein dicker Kater im Schnee und
glotzte uns unschuldig an.
»Da ist er!« Geschickt wie
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