Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
an der Reihe bin.« Oliver bedachte Masters auf dem Weg zur Tür mit einem grimmigen Blick.
Giles erwiderte ihn mit einem gelassenen Nicken.
Sobald sie allein waren, humpelte Hetty zu der chinesischen Kommode, auf der die Brandykaraffe stand. »Einen kleinen Drink, Mr Masters?«
»Nicht für mich, danke.«
Mit einem verschmitzten Blick in seine Richtung schenkte sie sich ein Glas ein. »Kommen Sie, ich weiß, dass Sie kein Kostverächter sind!«
»Mit Verlaub, Mrs Plumtree, ich möchte meine fünf Sinne lieber beisammenhaben, wenn ich mich mit einer Meisterin der Manipulation wie Ihnen unterhalte.«
Sie kicherte und nippte an ihrem Brandy. »Sie waren schon immer sehr direkt. Warum bleiben Sie nicht dabei und erzählen mir, worum es hier wirklich geht?«
Er sah sie argwöhnisch an. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Hetty schnaubte. »Meine Enkelin hat sich jetzt neun Jahre lang gegen eine Heirat gewehrt. Es kann unmöglich sein, dass sie auf einmal beschlossen hat, Sie zu heiraten, nur weil Sie heute zufällig aufgetaucht sind, um Jarret zu besuchen.«
»Eigentlich bin ich gekommen, um mich als Ehemann zu bewerben.«
Hetty war überrascht. »Sie haben es im
Lady’s Magazine
gelesen?«
»So ist es.«
Das wurde ja immer interessanter! »Und Sie beschlossen, Ihr ausschweifendes Leben zu beenden und herzukommen, um Minerva zu Ihrer Frau zu machen? Einzig und allein aus dem Grund, dass Sie die Anzeige mit dem Vorstellungstermin gesehen haben?«
Er lächelte leise. »Allein aus diesem Grund.«
»Ist Ihnen klar, dass sie Sie nur benutzt, um mich zu ärgern?«
Es verging ein Moment, während er ihr prüfend ins Gesicht sah. »Das weiß ich.«
»Sie hofft, dass ich so entrüstet über ihre Entscheidung sein werde, dass ich sie nicht mehr dazu anhalte zu heiraten.«
»Dazu anhalten?«, wiederholte er mit einem plötzlichen Funkeln in den Augen. »So nennen Sie das?«
Sie nahm einen Schluck Brandy. »Sie halten nichts von meinen Methoden?«
»Nein. Aber das hindert mich nicht daran, sie mir zunutze zu machen, um Minerva näherzukommen.«
»Warum?«
»Weil sie die einzige Frau ist, die ich jemals ernsthaft als Ehefrau in Betracht gezogen habe. Ich will nicht, dass ein anderer Kerl sie mir wegschnappt.«
Hetty war ziemlich überzeugt davon, dass er die Wahrheit sagte – was höchst erstaunlich war. »Ich bitte Sie! Wir wissen beide, dass sie nicht die Absicht hat, irgendeinen Fremden zu heiraten. Sie wollte mich nur provozieren.«
»Hat es funktioniert?«
Sie verdrehte die Augen. »Ich bin nicht so dumm, wie meine Enkelin denkt. Dieser Unfug mit Ihnen ist nur ein weiterer Versuch von ihr, mich in Zugzwang zu bringen.«
Giles sah sie nachdenklich an. »Wollen wir die Karten nicht auf den Tisch legen? Wie Sie richtig vermuten, will Minerva mich eigentlich nicht heiraten. Sie will, dass ich ihren Verlobten spiele, bis Sie so beunruhigt sind, dass Sie Ihr Ultimatum zurücknehmen.«
»Und Sie machen mit, weil …«
»Weil ich sie wirklich heiraten will.«
»Ich muss Sie abermals fragen, warum.«
»Haben Sie Minervas Romane gelesen?«
»Was tut das denn zur Sache?«, wollte sie verblüfft wissen.
»Minerva lässt ihre ganze Persönlichkeit in ihre Bücher einfließen. Ich weiß es – ich habe sie alle gelesen. Wenn sie in Gesellschaft ist, versteckt sie sich hinter ihren geistreichen Bemerkungen und ihren zynischen Ansichten, doch in ihren Romanen kann man die echte Minerva entdecken. Und diese Minerva gefällt mir.«
Hetty auch. Aber sie hatte ihrer Enkelin nie gesagt, dass sie ihre Romane las. Zugegeben, sie waren recht spaßig und unterhaltsam, voller überraschender Wendungen und faszinierender Figuren, doch Hetty hatte Minerva nie in ihrer Hinwendung zu einer solchen Blaustrumpf-Profession bestärken wollen.
Intellektuelle Frauen, die als »Blaustrümpfe« beschimpft wurden, bekamen keine Männer ab, sie schenkten ihren Großmüttern keine Urenkel, und sie verursachten Skandale, unter denen dann die übrigen Urenkel zu leiden hatten. Wie im Fall dieser närrischen Mary Shelley, die einer Frau den Mann weggenommen hatte und dafür geächtet worden war. Hetty wollte etwas Besseres für ihre Enkelin. Die Sharpes hatten schon genug Skandale für eine Familie, mehr waren wirklich nicht nötig.
Doch manchmal, wenn sie ein Buch ihrer Enkelin las, hatte Hetty das Gefühl, eine Facette von ihr kennenzulernen, die sie sonst nie zu sehen bekam. Den Teil von Minerva, der die Eltern schrecklich
Weitere Kostenlose Bücher