Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
Korridors und wies einen schmaleren Flur hinunter, der daran anschloss. »Es ist das letzte Zimmer auf der linken Seite. Er kommt erst sehr spät zurück. Bis dahin werden Sie sich bestimmt schon zurückgezogen haben.«
Giles seufzte. »Nun gut, da meine teure Gattin so darauf drängt, nehmen wir das Zimmer.« Er drückte dem Wirt ein paar Goldmünzen in die Hand.
Dem Mann fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Vielen Dank, gnädiger Herr, gewiss doch.« Er führte sie zurück zu ihrem Zimmer und öffnete die Tür. »Soll ich jemanden Ihr Gepäck holen lassen?«
»Mein Diener kommt mit einer anderen Kutsche nach und bringt es. Lassen Sie es mich bitte wissen, wenn er da ist, ja?«
»Selbstverständlich.« Der Wirt reichte Giles den Schlüssel. »Wenn Sie sonst noch etwas benötigen …«
»Danke, vorläufig nicht. Meine liebe Gattin möchte ruhen.«
»Gewiss doch, gnädiger Herr.«
Sobald der Wirt gegangen war, bemerkte Minerva: »Du lügst für meinen Geschmack ein bisschen zu gut.«
»Das Gleiche könnte ich von dir sagen, mein Zuckerpüppchen.« Er grinste.
»Wenn du mich noch einmal so nennst, wird dir ein wichtiger Teil deiner Anatomie abhanden kommen.«
»Du bist wirklich eine Spielverderberin!« Er trat hinaus auf den Korridor und schaute nach links und rechts. Es war niemand in der Nähe. »Komm mit!«, flüsterte er und ging in Richtung von Desmonds Zimmer.
Sie folgte ihm neugierig.
Als Giles die Tür erreichte, versuchte er probehalber, sie zu öffnen, doch sie war abgeschlossen. »Gib mir eine von deinen Haarnadeln!«
Sie löste eine aus ihrer Frisur und reichte sie ihm. »Was hast du vor?«
Er machte sich am Türschloss zu schaffen. »Ich will mich in seinem Zimmer umsehen, was sonst?«
»Giles, wo um alles in der Welt hast du gelernt …«
»Ich habe mit Kriminellen zu tun, schon vergessen? Sie haben mir ein paar Tricks beigebracht. Das ist ganz praktisch, wenn ich betrunken nach Hause torkele und feststelle, dass ich meinen Schlüssel verlegt habe.«
Sie sah ihn skeptisch an. Was für eine fadenscheinige Ausrede für eine Fertigkeit, die ausgesprochen suspekt war!
Er brauchte nur wenige Momente, um das Schloss mit dem improvisierten Dietrich zu öffnen. Dann führte er Minerva ins Zimmer, und nachdem er die Tür geschlossen hatte, ging er schnurstracks auf einen aufgeklappten Koffer zu, der in der Ecke stand.
Minerva sah sich das Zimmer an. Für ein Gasthaus auf dem Lande war es recht hübsch. Es verfügte über eine Kommode, ein großes Bett, eine aufwendig verzierte spanische Wand und einen hübschen Waschtisch mit einem Krug aus blau gesprenkeltem Porzellan. »Was suchen wir?«
»Alles, was uns Aufschluss darüber geben könnte, warum Desmond sich mit seinem Sohn hier einquartiert hat.«
»Nun, auf jeden Fall nicht der Gesundheit wegen«, stellte sie fest, als ihr die leeren Weinflaschen auf dem Tisch auffielen. Am Bett stand ein schmutziges Paar Stiefel. »Wie es aussieht, ist einer der beiden durch den schlammigen Wald gewandert. Beim Jagen vielleicht?«
»Jetzt ist keine Jagdsaison«, entgegnete Giles, der den Koffer vorsichtig durchsuchte.
»Vor neunzehn Jahren hat Desmond dem Stallburschen dieses Gasthauses gesagt, das Blut an seinem Steigbügel rühre von der Jagd her.«
»Ich weiß. Damals war auch keine Jagdsaison.«
»Kommt darauf an, was man jagt«, erwiderte Minerva mit eisiger Stimme. »Oder
wen
.«
Giles richtete sich wieder auf und hielt ihr mit grimmiger Miene ein Stück Papier hin. »Allerdings.«
Wie sie bei genauerem Hinsehen feststellte, handelte es sich um eine grobe handgezeichnete Karte. Minerva bekam eine Gänsehaut. »Ich glaube, das ist unser Gut mit seinen Ländereien.«
»Nun, es gibt gewisse Ähnlichkeiten, da stimme ich dir zu, doch es ist schwer zu sagen, weil nur Felder, Waldgebiete und Hügel eingezeichnet sind. Und manche Grenzmarkierungen scheinen falsch zu sein.« Er prüfte die Karte sorgfältig. »Falls es tatsächlich eine Karte eures Gutes ist, wozu braucht Plumtree sie dann?«
»Ich weiß es nicht. Giles, du denkst doch nicht, dass er meine Eltern wirklich umgebracht hat, oder?«
»Wir haben noch nicht genug Informationen, um es beurteilen zu können. Aber falls er es getan hat, stellt sich die Frage, warum. Und warum kehrt er so viele Jahre später zurück … falls das Gut tatsächlich sein Ziel ist?« Giles wandte sich wieder dem Koffer zu. »Sieh du in den Schubladen der Kommode nach! Vielleicht findest du private Aufzeichnungen
Weitere Kostenlose Bücher