Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
sie ihm zu.
»Warum etwas erfinden, wenn die Wahrheit viel besser ist?«, entgegnete er verschmitzt. »Zufällig schuldet Desmond Plumtree Manderley eine Menge Geld.«
»Woher weißt du das?«
Er warf ihr ein hintergründiges Lächeln zu. »Dein Bruder wollte, dass ich mir seine Finanzen ansehe. Das habe ich getan.«
Sie hatte gedacht, Jarret habe ihn gebeten, sich im Hinblick auf Großmutters Testament mit Desmond zu beschäftigen, doch in diesem Moment wollte sie keine Diskussion anfangen.
Desmonds schrille Stimme schallte zu ihnen herauf. »Wenn Manderley hier ist, packe ich auf der Stelle!«
Oje! Minerva erschrak, doch Giles zog sie umgehend in Richtung ihres Zimmers. Sie hatten kaum die Tür hinter sich geschlossen, als sie Desmond und Ned die Treppe heraufkommen hörten.
Obwohl sie in ihrem Zimmer sicher waren, hielt Minerva den Atem an, bis die Schritte am Ende des Korridors verklangen.
»Wir können das Zimmer erst verlassen, wenn sie aus dem Haus sind«, erklärte Giles sachlich. »Sonst ist die Gefahr zu groß, dass wir uns begegnen.«
Sie sah ihn voller Verwunderung an. Wie schaffte er es nur, so unglaublich ruhig zu bleiben? »Ich muss schon sagen, während
ich
zittere und bange und mir das Herz bis zum Hals schlägt, verhältst
du
dich, als wäre das alles hier nichts Besonderes.«
Seine Miene verschloss sich. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
Er tat es schon wieder. Er tat so, als wäre sein Verhalten völlig normal, obwohl sie doch beide wussten, dass es nicht so war. Sie würde ihn schon noch dazu bringen, ihr zu verraten, was er an jenem Abend bei Newmarsh im Schilde geführt hatte. Ihr war nämlich endlich eine Idee gekommen, wie sie es am besten anstellte: Sie musste ihn beschuldigen, etwas zu sein, das er ganz gewiss nicht war – und dessen er sich nicht gern beschuldigen lassen würde.
»Nun gib es schon zu, es gibt einen Grund dafür, dass du damals in Lord Newmarshs Arbeitszimmer warst und dass du dich darauf verstehst, in Hotelzimmer einzubrechen, und im Angesicht der Gefahr stets Ruhe bewahrst.«
»Und der wäre?«
»Ich bin mir inzwischen völlig sicher: Du bist ein professioneller Dieb.«
7
Giles fing an zu lachen, woraufhin Minerva die Stirn runzelte. Aber er konnte gar nicht anders, so erleichtert war er, denn er hatte befürchtet, dass sie etwas ganz anderes sagen würde. »Ein Dieb! Du hältst mich für einen Dieb? Nur weil ich in Plumtrees Zimmer eingebrochen bin?«
»Und weil ich dich vor Jahren schon beim Stehlen erwischt habe. Weil es dir nicht schwerfällt, dich in anderer Leute Häuser zu schleichen. Und weil du beharrlich beteuerst, nicht an meinem Vermögen interessiert zu sein. Du hast offensichtlich noch eine andere Einnahmequelle.«
Seine Belustigung verflog auf der Stelle, und er schritt verärgert auf sie zu. »Ist es wirklich so schwer zu glauben, dass ich mit meinem Beruf genug verdiene? Dass ich schlau genug bin, um als Anwalt erfolgreich zu sein und hohe Honorare zu verlangen?«
Sie sah ihn durchdringend an. »Nun, du musst zugeben …«
»Was soll ich noch zugeben? Dank deiner lebhaften Fantasie und deines Hangs zur Fiktion hast du mich ja bereits in eine Schublade gesteckt!« Er kam ihr immer näher und drängte sie an die Tür. »Damit war dein scharfer Verstand also die ganze Zeit beschäftigt – du hast einen Kriminellen aus mir gemacht, einen Meisterdieb!«
»Ich habe dich nicht …«
»Doch, das hast du!« Er wurde immer wütender und stemmte die Hände links und rechts von ihr gegen die Tür.
Sie sah ihm furchtlos in die Augen und schien nicht im Geringsten eingeschüchtert zu sein. »Was soll ich denn denken, wenn du in Zimmer einbrichst und so gut lügen kannst?«
»Ich bin hier nicht der Einzige, der gut lügen kann«, erwiderte er. »Du lügst Tag für Tag beim Schreiben und denkst dir nichts dabei.«
»Das ist nicht das Gleiche! Ich erzähle Geschichten. Das wissen die Leute.«
»Ach, wirklich? Jeder mutmaßt, dass Rockton dein Bruder ist.« Er beugte sich zu ihr vor. »Und du hast gerade ohne jeden Skrupel die Rolle der Lady Manderley übernommen, aber ich beschuldige dich nicht, kriminell zu sein. Ich stelle deinen Charakter nicht infrage.«
»Ich wollte dir nur helfen, Erkundigungen über Desmond einzuholen.«
»Was ich deiner Familie zuliebe tue. Und was bekomme ich als Dank dafür? Beschuldigungen und Unterstellungen.« Er starrte sie zornig an. »Weißt du, worum es hier wirklich geht? Dir missfällt es, dass du dich
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