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Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Titel: Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Harris
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natürlich schrecklich unfair ist, aber ich verkniff mir lieber jegliche Erwiderung, weil ich wusste, dass sie ohnehin rabenschwarzer Laune war, da Will den ganzen Tag unterwegs war (er musste wohl zu einem samstäglichen Arbeitstreffen auf dem Golfplatz). Aber auch nachdem sie das Haus verlassen hatte und zu ihrem Mädelsabend gegangen war, blieb die Atmosphäre frostig. Weshalb ich jetzt auch heilfroh bin, dass Sonntag ist und ich mich ein bisschen entspannen und heute einfach nur ich selbst sein kann. Na ja, beinahe.
    Um kurz nach acht kommt die U-Bahn ruckartig in der Clapham Common Station zum Stehen, und ich schnappe mir meine Tasche und springe aus dem leeren Waggon. Am Bahnsteig steht eine Handvoll erbärmlich übermüdeter Gestalten, die mit leerem Blick ins Nichts starren; arme Pechvögel, für die der Sonntag ein Arbeitstag wie jeder andere ist. Ich lächele ihnen im Vorbeigehenmitfühlend zu, aber sie scheinen mich gar nicht zu sehen, und wenn doch, dann ignorieren sie mich lieber. Einer der Nachteile als Verkäuferin im Einzelhandel liegt darin, dass man nicht automatisch am Wochenende freihat, wobei ich allerdings das Glück habe, sonntags nicht arbeiten zu müssen.
    Zitternd und meinen Stadtplan fest umklammernd verlasse ich die Bahnstation. Es ist ein klirrend kalter, klarer Wintermorgen, und die Clapham High Street ist, von einigen Nachteulen abgesehen, die müde nach Hause schleichen, vollkommen menschenleer. Ich überquere die Straße, passiere einen Starbucks und einen Zeitungskiosk und biege gleich danach links in die Venn Street ab, vorbei an einigen schnuckeligen Bars und Restaurants und einem kleinen Kino. Die Straße wirkt nett, aber nicht gerade schick, was mich ein wenig wundert. Die Häuser sind allesamt unscheinbare viktorianische Reihenhäuschen, und ehrlich gesagt hatte ich mir vorgestellt, Carly würde wesentlich mondäner wohnen. Ich hatte mir immer ausgemalt, sie lebte vielleicht in einem modernen Apartmentkomplex am Fluss, mit privatem Fitnessstudio und Dachterrasse. Aber das hier wirkt alles so … spießig.
    Ich gehe die Straße entlang und spähe mit zusammengekniffenen Augen auf die Hausnummern und bleibe schließlich vor der Nummer vierunddreißig stehen. Ein Blick auf die Uhr: Es ist Viertel nach acht. Joel kommt frühestens in einer Viertelstunde. Vielleicht verspätet er sich ja auch. Lieber Gott, bitte lass ihn nicht zu spät kommen, denke ich und starre wie gebannt auf Carlys Wohnung. Sämtliche Jalousien sind geschlossen, was schon mal ein gutes Zeichen ist. Hoffentlich habe ich recht mit meiner Annahme, dass sie sicher nach einer durchgemachten Nacht noch in den Federn liegt und selig schlummert.
    Ich setze mich neben das kleine Eingangstor aufs Mäuerchen und warte. Mir ist ganz schlecht vor Aufregung, und meine Nerven flattern, nicht nur, weil ich Joel gleich wiedersehe, sondernwegen dieser ganzen elenden Schwindelei. Ich meine, wer bitte macht so etwas? Warum stelle ich mich auf den Kopf, um diesem Kerl weiszumachen, ich sei jemand, der ich nicht bin, nur damit er mit mir ausgeht? Hätte mich jemand vor einem Monat gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, so etwas zu tun, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber andererseits erkenne ich mich momentan ja selbst kaum wieder.
    Dann sehe ich auf einmal Joel um die Ecke biegen, und sofort springe ich wie von der Tarantel gestochen auf und flitze zur Haustür, fummele an meinem Schlüssel herum und schaue mich panisch um. Er geht ziemlich langsam und hat die unverkennbaren weißen Kopfhörerknöpfe in den Ohren, deren Kabel zu seiner Tasche führen, in die er auch die Hände gesteckt hat, und sein Kopf wippt im Takt der Musik aus seinem iPod. Und wie ich ihn mir so anschaue, fällt mir plötzlich wieder siedend heiß ein, warum ich mich mit dieser absurden Geschichte in Teufels Küche bringe. Ich tue das alles nur, weil Joel so hinreißend und interessant und witzig ist, und weil er sich sonst nie für ein Mädchen wie mich interessieren würde. Für mich ist das die einzige Möglichkeit, einmal zu erleben, wie das Leben sich für Frauen wie Carly anfühlt: bildschöne Mädels mit tollen Jobs und eigener Wohnung und vielen Freunden. Ein Leben, von dem ich sonst nur träumen kann – oder bestenfalls vorgeben, es zu leben.
    Ungeschickt fingere ich immer noch an meinem eigenen Hausschlüssel herum und tue, als steckte ich ihn in Carlys Schloss, als zu meinem grenzenlosen Entsetzen die Tür plötzlich schwungvoll

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