Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
weil ein plötzlicher Schmerz im Hals mir die Kehle zuschnürt.
Sam nickt und antwortet, ohne mich anzuschauen. »Entschuldige, Evie. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Das liegt wohl am Wein und dem Kaminfeuer und …« Mit einer ausladenden Geste weist er auf den Pub, der mit dem Weihnachtsbaum, der fröhlich in der Ecke funkelt, und dem Schnee, der vor dem Fenster sanft zu Boden rieselt, vor Leben, Liebe und Weihnachtsstimmung zu strahlen scheint. »Kommt nicht wieder vor«, murmelt er.
»Ich weiß«, sage ich, während wir unsere Schemel zurückschieben und schweigend die Mäntel anziehen, um dann in den tristen Wintertag hinauszugehen.
Etwas linkisch umarmen wir uns, dann drehen wir uns um, und jeder geht seiner eigenen Wege.
Einen Moment bleibe ich auf der nun menschenleeren Straße stehen und sehe mich nach Sam um, der den nebligen schneebedeckten Hügel hinauftrottet, sanft beschienen vom schwachen gelben Schein der viktorianischen Straßenlaternen, und mit einem plötzlichen Anflug von Bedauern muss ich daran denken, was wohl passiert wäre, wenn ich zugelassen hätte, dass er mich küsst. Ich überquere die Straße und gehe in Richtung Chalcot Street, nicht unbedingt glücklich in dem Wissen, dass ich es nun wohl nie erfahren werde.
Montag, 12. Dezember
Noch dreizehn verkaufsoffene Tage bis Weihnachten
Neunundzwanzigstes Kapitel
O bwohl Montag ist und ich nach dem gestrigen aufwühlenden Tag noch hundemüde und kaputt bin, stehe ich doch brav um halb sieben am Personaleingang. Tja, wir haben einfach keine Zeit zu verlieren. Ich habe nicht mal Zeit für einen Plausch mit Felix, bin aber doch ziemlich enttäuscht, als ich ankomme und er nicht wie üblich in seinem Kabuff sitzt. In den zwei Jahren, die ich nun schon hier arbeite, hat er eigentlich immer an seinem Schalter gesessen, wenn ich morgens hereingekommen bin. Womöglich geht es ihm nicht gut. Mir fehlt sein fröhliches Gesicht, und dann fällt mir ein, dass es ohne ihn noch Stunden dauern könnte, ehe irgendjemand merkt, dass ich da bin.
Antriebslos trotte ich in den stockdunklen Laden und versuche mich seufzend dazu aufzuraffen, eine weitere Umgestaltung in Angriff zu nehmen, die ich mutterseelenallein und in gerade mal zwei Stunden über die Bühne bringen muss.
Aber da gehen auf einmal wie von Zauberhand alle Lichter an und Felix, Lily, Sam, Jan Baptysta, Justyna und Velna stehen vor mir. Erstaunt schnappe ich nach Luft und lache, als Lily vortritt und mir munter zuwinkt. Sie trägt eine siebenachtellange schwarze Hose und dazu flache Pumps, ein schwarzes Oberteil, und sie hat ein Tuch um den Kopf geschlungen, wodurch sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Norma Desmond hat. Sie sieht aus, als warte sie nur auf die nächste Nahaufnahme.
»Morgen, Evie!«, zwitschert sie. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, aber nach unserer kleinen Zusammenkunft am Donnerstagabend sind wir zu dem Schluss gekommen, du könntest einen – oder mehrere – Helfer brauchen, die dir bei deiner nächsten Umgestaltung zur Hand gehen. Und wir haben uns gedacht, dass du sicher heute anfängst. Also, du brauchst uns nur zu sagen, was wir tun sollen, wir stehen alle in den Startlöchern!«
»Wirklich?«, rufe ich gerührt, und es schnürt mir fast die Kehle zu, als ich sie alle so sehe, wobei ich es allerdings tunlichst vermeide, Sam anzuschauen. Ich wende mich an die Putzleute. »Könnt ihr wirklich so viel Zeit erübrigen? Ich weiß doch, dass ihr ohnehin unterbesetzt seid; ich hatte gar nicht erwartet, dass ihr alle gleich heute mit anpackt.«
Jan lächelt wohlwollend. »Ach, aber Evie-englische-Ehe …« Mit einem Blick auf Justyna bricht er hüstelnd ab. »Wir wollen heute schon mit anpacken. Sam und Lily haben uns geholfen. Putzen können sie, nie ?«
Mit heruntergeklappter Kinnlade starre ich Lily an. »Du hast geputzt?«
»Oh ja, mein liebes Kind«, sagt sie und streicht sich über das Kopftuch. »Ich habe eben viele Talente. So, und jetzt Schluss mit dem Geplauder, Zeit, ein bisschen Feenstaub zu verstreuen! Also, welche Abteilung nehmen wir uns heute vor?«
Ich bin völlig sprachlos vor Dankbarkeit und bringe kein anderes Dankeschön zustande, als sie alle anzustrahlen wie ein Honigkuchenpferd.
»Komm schon«, quengelt Lily. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Und recht hat sie.
»Lederwaren«, sage ich entschlossen. »Ich habe zufällig gehört, wie Becky erzählte, Rupert fände die Umsatzzahlen ihrer Abteilung enttäuschend.
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