Ein weites Land – Miteinander (Geschichten aus der Ferne) (German Edition)
besser, ihm so nahe sein zu können.
Sein Mobiltelefon vibrierte in seiner Hosentasche. Er sagte seinem Vater gute Nacht und verließ den Raum, bevor er den Anruf annahm. „Hallo, Phillip.“ Er stellte fest, dass seine Stimme schon etwas heiterer klang.
„Hey, Cowboy. Wie läuft es auf der Ranch?“ Dakota musste lächeln; seit der Kreuzfahrt nannte Phillip ihn so. Den ganzen Winter über hatte er alle paar Wochen angerufen. Daraus war eine Freundschaft zwischen ihnen entstanden, die Dakota sehr viel bedeutete.Jetzt gab es in seinen Gedanken zwei Phillips: den dunkelhaarigen Hitzkopf, den er auf der Kreuzfahrt kennengelernt hatte und den Freund, den er während der vergangenen paar Monate gewonnen hatte.
„Es läuft gut. Diese Zeit im Jahr mag ich am liebsten. Alles wird grün und wir treiben die Rinder auf die Sommerweide. Die Jungs sind ganz aufgeregt“, fuhr Dakota fort. „Sie übernachten draußen auf der Weide, das ist einfacher für sie, als jeden Abend nach Hause zu reiten.“ Er ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch.
„Campen – das klingt nach viel Spaß. Bist du bei ihnen?“
„Nein, ich bin zu Hause,“ sagte Dakota leise lachend. „Du und Camping? Das kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen.“
„Damit du es nur weißt, ich war schon oft genug campen.“ Dakota wartete, als Phillip eine dramatische Pause einlegte. „Zählt der Hinterhof auch?“
Zum ersten Mal seit Tagen konnte Dakota wieder herzlich lachen. „Sicher zählt das. Da gibt’s nur einen großen Unterschied: wenn du draußen auf dem Feld bist, kannst du nicht einfach mal kurz reingehen, wenn du aufs Klo musst.“
Phillip fiel in sein Lachen mit ein und setzte noch einen drauf: „Oder ein Verlängerungskabel für Musik und Licht legen.“
„Guter Gott.“ Dakota musste noch mehr lachen, ihm taten schon die Seiten weh. „Und für die kühlen Nächte hattest du wohl eine elektrische Wärmedecke“, witzelte er, wobei er nach Luft schnappte.
„N ATÜRLICH . Es war ganz schön kalt.“ Für eine Sekunde schaffte es Phillip, ernst zu klingen, bevor er wieder in Gelächter ausbrach. „Gott, war ich ein verwöhntes Kind“, fügte er fröhlich hinzu.
„Das war ich auch, aber auf eine andere Art. Ich hatte Pferde und habe mit meinem Dad auf dem Feld draußen gezeltet. Am Lagerfeuer hat er mir alle möglichen Geschichten erzählt.“ Dakota musste sich bremsen, da er spüren konnte wie sich die Sorgen langsam wieder in seinen Kopf schlichen.
„Wie geht es deinem Vater?“
„Einerseits besser, andererseits aber auch schlechter. Er hat neue Medikamente bekommen und seither kommt er mir wieder lebendiger vor. Er kann sogar ein bisschen besser sprechen.“ Es war wunderbar gewesen, als sein Vater zum ersten Mal seit Monaten einige raue Worte hatte formen können.
„Das ist gut.“
„Allerdings hat er sich eine Infektion in seinem Bein zugezogen. Dadurch hat er Fieber bekommen. Wenn wir das nicht in Griff kriegen, wird er sein Bein vermutlich verlieren.“ Dakota konnte nicht verhindern, dass in seinen Worten etwas von seinem Schmerz und seinen widerstreitenden Gefühlen durchklang. „Was mir dabei am meisten Sorge macht: das mit dem Bein ist nur ein Symptom dafür, dass sein Körper langsam abschaltet.“
Durch die Leitung hörte er ein leises Seufzen. „Du weißt, dass ich dir jederzeit zuhöre, wenn du reden willst.“
Dakota hielt inne. „Das weiß ich.“ Das tat er wirklich. „Vielleicht könnten wir über etwas Angenehmeres reden.“ Er musste unbedingt das Thema wechseln. Phillip schien das zu verstehen und fing an, ihm von einigen lustigen Dingen zu erzählen, die er unternommen hatte. Dakota hörte zu und lachte mit seinem Freund, wobei er sich fragte, was er alles verpasst hatte. Je weiter die Krankheit seines Vaters voranschritt, desto kleiner war Dakotas Welt geworden und er hatte es nicht einmal gemerkt. Die Ranch, die Männer und sein Vater waren alles, was er hatte. Sie waren nun seine Welt und schienen seine ganze Zeit und Energie in Anspruch zu nehmen. Die einzige Ausnahme waren Phillips Anrufe. Sie holten ihn von all dem weg, in die Welt von Phillips Freunden, brachten ihn zum Lachen und ließen ihn für eine Weile alles andere vergessen.
„Ach übrigens, was ich dich noch fragen wollte… “ Phillips Themawechsel riss Dakota aus seinen Gedanken. „Steht deine Einladung zu einem Besuch eigentlich noch? Ich plane gerade meinen Urlaub und dachte darüber nach, ihn in Wyoming
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