Ein weites Land – Miteinander (Geschichten aus der Ferne) (German Edition)
Medizinstudium hatte er auch geliebt. Er hatte es aufgegeben, um sich um seinen Vater zu kümmern und das würde er auch immer wieder tun. Doch die ewige Frage „was wäre, wenn?“ ließ ihm keine Ruhe. Sein Ziel war es immer gewesen, sein Studium zu beenden und dann hierher zurückzukommen. Hier gab es sowieso nicht genügend Ärzte. Stattdessen war er zurückgekommen, um für seinen Vater da zu sein. Und währenddessen hatte er sich durch seine eigenen Ängste dazu verleiten lassen, sich von allem außer der Ranch abzukapseln.
Dakota nickte langsam mit dem Kopf. Phillips Besuch war genau das Richtige. Es wurde Zeit, dass er aufhörte, sich zu verstecken und zu dem stand, was er war. „Ich werde nicht bei der Pride Parade marschieren, aber ich werde auch nicht länger verheimlichen, wer ich bin.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da hörte er eines der Pferde wiehern. Dann hallte ein weiteres hohes Heulen über das Land. „Freut mich, dass ihr damit einverstanden seid.“ Dakota machte es sich unter der warmen Decke gemütlich und hörte der Nacht zu. Er wäre fast eingeschlafen, ehe er sich aufraffen konnte, wieder nach drinnen zu gehen.
Auf seinem Weg durch das Haus löschte er die Lichter, sah noch ein letztes Mal nach seinem Vater, und ging dann in sein eigenes Schlafzimmer und legte sich in sein Bett. Die Morgendämmerung würde nur allzubald kommen und dann gäbe es wieder viel zu tun. Aber zum ersten Mal seit geraumer Zeit würde er etwas für sich selbst tun.
Kapitel 4
„B IST du sicher, dass ich mitkommen soll?“, fragte Wally. Nervös tigerte er durch die Wohnung. „Ich will mich nicht aufdrängen und ich bin auch nicht gern das fünfte Rad am Wagen.“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich Dakota schon vor zwei Wochen angerufen habe und er damit einverstanden war.“ Phillip stand vom Sofa auf. „Und Dakota und ich hatten auf dem Schiff unseren Spaß miteinander, aber das war’s dann auch schon.“
„Ja, richtig“, spottete Wally und ging ins Schlafzimmer. Phillip folgte ihm. „Nachdem, was du mir erzählt hast, kommt er von seiner Ranch gerade mal für eine Woche im Jahr weg. Ich geb‘ dem Ganzen eine Nacht und dann liegst du wieder bei ihm im Bett.“ Wally packte weiter ein, legte Jeans, Hemden und Unterwäsche in den Koffer.
„Das glaube ich kaum.“ Phillip, der am Türrahmen lehnte, verschränkte die Arme vor der Brust. „Was Dakota am nötigsten braucht, sind Freunde, vor allem schwule Freunde. Also wage es ja nicht, einen Rückzieher zu machen.“
„Tu ich nicht. Siehst du?“ Wally schloss den Koffer und stellte ihn neben der Schlafzimmertür ab. „Abgesehen davon ist das eine tolle Gelegenheit für mich, praktische Erfahrungen mit Großtieren zu sammeln. In der Klinik behandle ich immer nur Hunde, Katzen und gelegentlich mal ein exotisches Tier. Ich freue mich darauf, mit Pferden und Rindern zu arbeiten.“
„Was glaubst du, warum ich dich eingeladen habe? Ich wusste doch, dass es dir was bringen wird und Dakota hat auch noch was davon. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er uns beide wirklich auf Trab halten wird.“ Phillip richtete sich auf. „Lass uns deine letzten Sachen ins Auto bringen, dann können wir los.“
„Wir fahren schon heute Abend?“ Wally blickte sich in seinem Zimmer um, ob er noch irgendetwas vergessen hatte und schaute auch noch einmal im Bad nach. „Ich dachte, du hast gesagt, wir würden erst morgen fahren.“ Wally nahm seinen Kulturbeutel vom Waschtisch mit ins Schlafzimmer und legte ihn auf seinen Koffer.
„Es ist erst vier Uhr. Bis heute Abend können wir es bis nach Lacrosse schaffen.“ Phillip griff sich den Koffer und den Kulturbeutel, während Wally im Kleiderschrank nach seinen Stiefeln kramte und eine Jacke herausholte. „Dann müssen wir morgen schon weniger fahren. Hast du jetzt alles?“
„Ich denke schon.“ Ein letztes Mal sah sich Wally um. Phillip schnaubte ungeduldig. Dann folgte er Wally aus dem Appartement und wartete, bis dieser die Tür abgeschlossen hatte. Gemeinsam gingen sie zum Aufzug. „Brauchst du Hilfe beim Einladen deiner Sachen?“, fragte Wally.
„Nein. Mein Zeug ist schon im Auto. Wir müssen nur noch deins einladen, dann können wir los.“ Die Aufzugtüren teilten sich, sie stiegen ein und fuhren nach unten in die Lobby. Phillips Auto stand direkt vor dem Gebäude. „Ich mach mal den Kofferraum auf.“ Phillip stellte den Koffer ab und ging um das Auto herum zur Fahrerseite. Der Kofferraum
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